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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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wohl was bessers um dich verdient. Aber, ich weiß wohl woran es liegt, 's liegt alles an deiner verkehrten Erziehung, wobei man mir nicht genug gefolgt ist. Sieh nur, da ist meine Tochter, die ich als meine Freundin auferzogen habe! Nichts thut sie ohne meinen Rat, und weigert sich niemals, ihn anzuhören, wenn ich ihr welchen geben will.« – »Sie haben ihr in einer Sache wie diese, noch niemals einen Rat gegeben,« sagte Nachtigall, »denn ich müßte mich in Ansehung meiner Kousine sehr irren, wenn sie so gar bereitwillig wäre, selbst Ihrem strengsten Befehl zu gehorchen, wo es drauf ankäme, ihrer Neigung zu entsagen.« – »Versündige dich nicht an dem Mädchen,« antwortete der alte Herr mit einiger Gemütsbewegung. »Versündige dich nicht an Henrietten! Ich habe sie so erzogen, daß sie keine Neigungen hat, die mir nicht anständen: dadurch, daß ich ihr immer erlaubt habe, zu thun was sie will, habe ich sie so gewöhnt, daß sie immer ihre Freude dran findet, zu thun, was ich will.« – »Verzeihn Sie mir, Herr Onkel,« saget Nachtigall, »ich habe nicht den Vorsatz von meiner Kousine im kleinsten etwas nachteiliges zu sagen, denn ich habe für sie die größte Hochachtung, und in der That bin ich überzeugt, Sie werden ihr nie eine so harte Prüfung oder so harte Befehle auflegen, als Sie mir auflegen wollen. Aber, lieber Onkel, lassen Sie uns wieder zur Gesellschaft gehen, denn man wird über unsre lange Abwesenheit unruhig werden. Eine Gewogenheit muß ich mir vom lieben Onkel ausbitten, und diese ist, daß er so wenig dem armen Mädchen als der Mutter etwas sagen wolle, das sie kränken könnte.« – »O, brauchst nichts zu fürchten,« antwortete der Onkel, »der Mann bin ich nicht, der den Frauenzimmern etwas beleidigendes sagt. Die Gewogenheit will ich dir also recht gern erzeigen, dafür erwarte ich aber auch wieder eine andere von dir.« – »Ich wüßte wenige Befehle«, sagte Nachtigall, »die Sie mir geben könnten, welchen ich nicht freudig gehorchen wollte.« – »Nun, sieh nur, Jakob! ich verlange weiter nichts,« sagte der Oheim, »als daß du mit mir nach [128] meinem Hause auf mein Zimmer kommst, damit ich über die Sache ein wenig ausführlicher mit dir reden kann; denn wenn's möglich wäre, hätte ich doch gern die Zufriedenheit, meine Familie in Glück und Ehren zu erhalten, ungeachtet des thörichten Eigensinns meines Bruders, der in seinem Dünkel der weiseste Mann von der Welt ist.«
    Nachtigall, welcher wohl wußte, daß sein Oheim ebenso starrköpfig war, als sein Vater, ließ sich's gefallen ihn nach Hause zu begleiten, und hierauf gingen sie beide wieder zur Gesellschaft, wo der alte Herr versprochen hatte, sich mit eben der Wohlanständigkeit zu betragen, wie zuvor.

Zehntes Kapitel.
    Ein kurzes Kapitel, welches das Buch beschließt.
     
    Die lange Abwesenheit des Onkels und des Neffen hatte bei allen denen, die sie verlassen hatten, einige Unruhe erregt, um so mehr als während des vorstehenden Dialogs der Oheim mehr als einmal seine Stimme so stark erhoben hatte, daß man solche im untern Stocke hören konnte, welches, ob sie gleich nicht unterscheiden konnten, was er sagte, die Mutter und Tochter, und in der That auch selbst Herrn Jones eine schlimme Vorbedeutung ahnen ließ.
    Als die gute Gesellschaft also wieder von neuem beisammen war, sah man eine deutliche Veränderung auf ihren Gesichtern und die gute Laune, welche vorher, ehe sie sich getrennt hatte, allgemein aus aller Mienen hervorblickte, hatte sich jetzt in weit unangenehmere Aspekten verändert. Eine Veränderung, die freilich dem Wetter in unserm Himmelsstriche gewöhnlich genug ist; nämlich vom Sonnenscheine zu Wolken, vom Junius bis zum Dezember.
    Diese Veränderung ward indessen von keinem der Gegenwärtigen eben sonderlich bemerkt, denn weil jetzt ein jeder damit beschäftigt war seine Gedanken zu verbergen und eine Rolle zu spielen, so wurden sie alle zu emsig auf der Bühne beschäftigt, um als Zuschauer zu sehen, was drauf vorginge. Sonach sahen weder der Onkel noch der Neffe an der Mutter oder Tochter das geringste Anzeichen von Argwohn, ebensowenig bemerkte die Mutter oder Tochter die übertriebene Höflichkeit und Gefälligkeit des alten Mannes, noch das Gezwungene der Munterkeit, welche der junge seinen erschlafften Gesichtsmuskeln einprägen wollte.
    Etwas diesem ähnliches trägt sich, wie ich glaube, sehr oft zu, wenn die ganze Aufmerksamkeit zweier Freunde auf die Rolle gespannt ist, die

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