Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
wie Ihre Ehre mir eben so teuer ist, als meine eigne, so ist auch meine einzige Ambition auf den Ruhm gestellt, meine Freiheit zu Ihro Gnaden Füßen gelegt zu haben; und glauben Sie mir, wenn ich Sie heiligst versichre, daß nichts in der Welt mich völlig glücklich machen kann, wofern Sie mir nicht großmütigst nach göttlichen und menschlichen Gesetzen das Recht erteilen, Sie die meinige zu nennen. Ich verharre mit der tiefsten Ehrerbietung
Ihro Gnaden höchstverpflichteter
treu gehorsamster Diener
Thomas Jones.«
Auf dieses sandte sie unverweilt folgende Antwort:
»Herr Jones!
Beim Durchlesen Ihrer ernsthaften Epistel hätte ich ihrer Kälte und Feierlichkeit halber beinahe darauf geschworen, daß Sie bereits das Recht nach göttlichen und menschlichen Gesetzen besäßen, wovon Sie schreiben; ja daß wir schon seit vielen Jahren die Mißgeburt von
dem
Tiere ausmachten, genannt Ehepaar. Aber halten Sie mich denn wirklich für eine Närrin? Oder bilden Sie sich ein, Sie wären im stande, mich dergestalt zu beschwatzen, daß ich mein ganzes Vermögen in Ihre freie Gewalt gäbe und dadurch zugleich die Mittel, auf meine Unkosten Ihren Vergnügungen nachzugehen? Sind dies die Beweise der Liebe, die ich erwartete? Ist dies der Dank für – Doch ich bin darüber weg, Ihnen etwas aufzurücken, und bin mit höchster Bewunderung Ihrer tiefsten Ehrerbietung
B.
N.S. Ich habe nicht Zeit, was ich geschrieben, noch einmal zu überlesen. – Vielleicht habe ich mehr gesagt, als ich meinte. – Kommen Sie um acht Uhr heute abend zu mir.«
Auf Gutbefinden seines Geheimen Rats erwiderte Jones:
»Madame!
Unmöglich kann ich Ihro Gnaden beschreiben, wie sehr mir der Verdacht zu Herzen geht, den Sie auf mich geworfen haben. Kann die gnädige Frau von Bellaston einem Manne die höchste Güte bewiesen haben, den Sie so niederträchtiger Absichten fähig hält? Oder können Sie von den feierlichsten Banden der Liebe eine so schnöde Meinung hegen? Können Sie glauben, Madame, daß wenn die Heftigkeit meiner Leidenschaft in einem übereilten Momente die zärtlichste Achtung unterdrückte, die ich für Ihre Ehre habe, ich mir's deswegen erlauben würde, einen Umgang fortzusetzen, welcher den Augen der Welt unmöglich lange verborgen bleiben könnte, und der, wenn er bekannt würde, Ihrer Reputation so höchst nachteilig sein müßte? Wenn dies die Meinung ist, die [164] sich Ihro Gnaden von mir machen, so muß ich Sie gehorsamst um eine baldige Gelegenheit bitten, Ihnen die Geldverbindlichkeiten zu erstatten, die ich so unglücklich gewesen bin, von Ihren Händen zu empfangen, und wegen der andern von einer zärtlichern Gattung werde ich auf ewig verharren u.s.w.«
Die Dame antwortete wie folgt:
»Ich sehe, Sie sind ein Lump! und ich verachte Sie von ganzer Seele. Sollten Sie herkommen, so bin ich nicht zu Hause.«
Obgleich Jones ganz froh war, aus einer Sklaverei befreit zu sein, welche diejenigen, welche jemals darin gewesen sind, vermutlich nicht für die leichteste ausgeben werden, so war er doch bei alledem in seinem Gemüte nicht so völlig ruhig. Es war bei diesem ganzen Verfahren etwas zu verfängliches für einen Menschen, der alle Arten von unredlicher List und Falschheit aufs äußerste verabscheute. Er würde sich auch wirklich nicht dazu haben bereden lassen, wäre er nicht in eine solch peinliche Lage verstrickt gewesen, daß er genötigt war, ein wenig außerehrlich gegen die eine oder gegen die andre von den beiden Frauenzimmern zu verfahren; und ohne Zweifel wird doch der Leser zugeben, daß jeder gute Grundsatz sowohl als die Liebe stark zu Sophiens Vorteil redeten.
Nachtigall jubilierte über die glückliche Wirkung seiner Kriegslist, worüber er von seinem Freunde viel Lob und Dank erhielt. Er antwortete: »Liebster Jones, wir haben einander ganz verschiedene Gefälligkeiten geleistet; Sie verdanken mir Ihre wiedererworbene Freiheit; ich verdanke Ihnen den Verlust der meinigen. Wenn Sie aber bei Ihrem Gewinnste ebenso glücklich sind, als ich bei meinem Verluste, so versichre ich Sie, sind wir die beiden glücklichsten Gesellen auf Gottes Erdboden.«
Die beiden Freunde wurden nun zum Mittagessen gerufen, wobei Madame Miller selbst das Amt einer Köchin verrichtet und ihre besten Talente angewendet hatte, um die Hochzeit ihrer Tochter zu feiern. Diese freudige Begebenheit schrieb sie hauptsächlich dem freundschaftlichen Bestreben des Herrn Jones zu. Ihre ganze Seele glühte
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