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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Meinen Sie denn, ich wisse nicht, wer die Feenkönigin gewesen?« – »So kannten Sie denn wirklich die Dame auf der Maskerade?« sagte Jones. – »Wirklich, und so wahr ich lebe, kann' ich sie,« sagte Nachtigall, »und hab' es Ihnen nachher wohl zwanzigmal zu verstehen gegeben, ob ich gleich, weil Sie über diesen Punkt immer so heiklich schienen, mich niemals mit deutlichen Worten habe herauslassen mögen. Mich deucht, mein Freund, nach Ihrer außerordentlichen Delikatesse zu urteilen sind Sie mit dem, was die Welt von dieser Dame sagt, nicht so bekannt als mit ihrer Person. Werden Sie nicht böse, Thomas! Aber auf meine Ehre, Sie sind nicht der erste hübsche Kerl, den sie in ihre Netze gelockt hat. Ihr guter Name ist in gar keiner Gefahr, das können Sie mir glauben.«
    Ob nun Jones gleich, als seine Liebschaft begann, eben keine Ursache hatte, die Dame für eine Art von Vestalin zu halten, so hatte er doch von der Stadt und von dem, was darin vorging, zu wenig Erfahrung, um einige Kenntnis von dem Charakter zu haben, den man die Empfindsame heißt, welche mit jeder Mannsperson, nach der ihr Sinn steht, unter dem Vorwand und dem Deckmantel von Geschmack an Büchern und Künsten herumbuhlt, und welche, ob sich gleich einige fast zu bedächtige Damen nicht in ihrer Gesellschaft sehen lassen mögen, dennoch (wie man zu sagen pflegt) von der ganzen Stadt besucht wird; kurz von der jedermann weiß, daß sie das ist, was niemand sie nennt.
    Als er demnach fand, daß Nachtigall von seinem Liebeshandel vollkommen unterrichtet wäre, und zu vermuten begann, daß eine so gewissenhafte Delikatesse, als er bisher beobachtet hatte, bei dieser Gelegenheit wohl eben nicht so durchaus nötig sein möchte, so entband er die Zunge seines Freundes und bat ihn, nur frei herauszusagen, was er von der Dame wisse, oder nur jemals über sie gehört habe.
    Nachtigall, der in manchen Stücken fast ein wenig zu viel von einem Frauenzimmer an sich hatte, war auch beinahe ein wenig zu [161] stark zum schwätzen aufgelegt. Er hatte daher nicht so bald von Jones volle Freiheit zum sprechen erhalten, als er sich in eine lange Erzählung, die Dame betreffend, einließ, welche wir deswegen nicht nacherzählen mögen, weil sie gar vieles enthielt, was der Heldin zu großer Unehre gereichte und weil wir eine zu zärtliche Anhänglichkeit an alle Damen von Stande haben. Wir möchten daher gerne behutsamst vermeiden, den künftigen Kommentatoren dieses Werkes eine Gelegenheit zu boshaften Auslegungen zu geben und uns dadurch wider unsern Willen zu Urhebern von Verläumdungen zu machen, die uns niemals in den Sinn gekommen sind.
    Nachdem Jones alles sehr aufmerksam angehört, was Nachtigall zu sagen hatte, holte er einen tiefen Seufzer, und der andre, der es bemerkte, sagte: »Was ist das? Nun ich hoffe doch nicht, daß du gar verliebt in sie bist! – Hätt' ich mir eingebildet, daß dir meine Geschichtchen so ans Herz gehn würden; verlaß dich drauf, du hättest sie niemals zu hören bekommen.« – »O mein liebster Freund!« rief Jones, »ich bin mit dieser Frau so verkettet, daß ich nicht weiß, wie ich mich herauswinden soll.« – »Da haben wir's! Wirklich verliebt!« – »Nein, mein Freund! Aber ich habe gegen sie Verbindlichkeiten und zwar sehr große. Weil Sie einmal so viel wissen, so will ich ganz offenherzig gegen Sie herausgehn. Es ist beinahe nur sie allein, der ich's zu verdanken habe, daß mir es nicht schon längst an einem Bissen Brots gemangelt hat. Wie kann ich nur dran denken, ein solches Frauenzimmer zu verlassen? Und doch muß ich ihr entsagen oder mich der schwärzesten Verräterei gegen eine andre schuldig machen, die unendlich mehr Verdienste um mich hat, als die Bellaston jemals haben kann. Ein Mädchen, Nachtigall, gegen die ich eine solche Liebe empfinde, daß sich nur sehr wenige Menschen davon einen Begriff machen können. Ich bin halb wahnsinnig über die Unentschlossenheit, wie ich handeln soll!« – »Und ist dies Mädchen, wenn ich bitten darf, eine Geliebte in allen Ehren?« sagte Nachtigall. – »In Ehren!« antwortete Jones. »Kein, auch nicht der leiseste Hauch hat es noch gewagt, über ihren Namen herzufahren. Die lieblichste Luft ist nicht reiner, der klarste Bach ist nicht heller als ihre Ehre. Sie ist durchaus an Geist und Körper die höchste Vollkommenheit. Sie ist das allerschönste Geschöpf unter der Sonne, und dabei besitzt sie solch edle, erhabne Eigenschaften, daß, ob sie mir gleich fast

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