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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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nur im geringsten in Unehren gedacht hätte. Wie oft habe ich's von Ihnen gehört, daß Sie ihn Ihren Sohn nannten? Wie oft haben Sie mit mir mit aller Liebe eines Vaters von ihm geplaudert? Mein teuerster, gütigster Herr von Alwerth, ich kann die häufigen Ausdrücke der Zärtlichkeit nicht vergessen, die mancherlei herrlichen Sachen, die Sie mir erzählten von seiner Schönheit, von seinen Geistesgaben, von seinen Tugenden, von seinem guten Herzen und von seiner Großmut. – Nein gewiß, ich kann es nie vergessen, denn ich finde, daß alles zutrifft. Ich habe selbst eigne Erfahrung davon; sie haben meine Familie errettet, diese Tugenden. Sie müssen mir diese Thränen verzeihen, gütigster Freund! wie könnte ich umhin, zu weinen, wenn ich an die entsetzlichen Unglücksfälle denke, die dieser arme Jüngling erlitten hat, dem ich so viel schuldig bin! Wenn ich an den Verlust Ihrer Gewogenheit denke, die er, wie ich sicher weiß, höher als sein Leben schätzte, so muß, so muß ich über ihn weinen. Und hätten Sie ein Schwert in der Hand und wollten mir's durchs Herz stoßen, wenn ich's nicht ließe, so müßte ich über [236] das Elend eines Menschen weinen und jammern, den Sie geliebt haben und den ich ewig lieben werde.«
    Herr Alwerth war von dieser Rede nicht wenig bewegt, doch schien es nicht vom Zorne zu sein; denn nach einem kurzen Stillschweigen faßte er Madame Miller bei der Hand und sagte zu ihr mit einer Stimme, der man noch die Rührung anhörte »Kommen Sie, Madame; lassen Sie uns ein wenig auf Ihre Tochter denken! Ich kann Sie nicht tadeln, daß Sie sich über eine Verbindung freuen, die nach allem Anscheine so vorteilhaft für sie ist. Sie wissen aber wohl, daß diese Vorteile größtenteils von der Aussöhnung mit dem Vater abhängen. Ich kenne Herrn Nachtigall, den Vater, recht gut und habe ehemals mit ihm Geschäfte gehabt. Ich will ihn besuchen und zusehn, was ich Ihnen bei dieser Sache für Dienste leisten kann. Ich glaube, er hat sein Herz ein wenig an's Zeitliche gehängt, da dies gleichwohl sein einziges Kind ist und die Sache sich nicht mehr ändern läßt, so läßt er sich vielleicht mit der Zeit noch wohl zur Vernunft bringen. Ich will gewiß alles thun, was ich für Sie thun kann, darauf verlassen Sie sich.«
    Die arme, edle Frau sagte Herrn Alwerth zu wiederholtenmalen den innigsten Dank für dies gütige und großmütige Erbieten, und konnte sich auch nicht enthalten, diese Gelegenheit abermals zu ergreifen, um ihre Dankbarkeit gegen Jones auszudrücken: »Denn ihm habe ich,« sagte sie, »den Anlaß zu verdanken, mein teuerster Wohlthäter, daß Sie sich diese Mühe für mich geben wollen.« Alwerth wehrte ihr liebreich, weiter zu reden. Er war aber ein viel zu guter Mann, um im Ernste über die Wirkung so edler Grundsätze, von welchen Madame Miller getrieben wurde, ungehalten sein zu können. Und in der That, hätte nicht dieser neue Handel seinen vorigen Zorn gegen Jones wieder angeflammt, so war es möglich, daß er sich durch die Erzählung von einer That, der die Bosheit selbst keinen schlechten Beweggrund zu schreiben konnte, ein wenig hätte erweichen lassen.
    Herr Alwerth und Madame Miller waren über eine Stunde beisammen gewesen, als ihrer Unterredung durch die Ankunft des Herrn Blifil und einer andern Person ein Ende gemacht ward, welche andre Person keine geringere war als Herr Dowling, der Prokurator, welcher nunmehr ein großer Liebling vom Herrn Blifil geworden war und den Herr Alwerth auf Bitten seines Neffen zu seinem Anwalte in Geldsachen gemacht und ihn gleichfalls dem Herrn Western empfohlen hatte, von dem der Prokurator das Versprechen erhielt, bei ihm bei nächster Erledigung ebendasselbe Amt zu erhalten, und bis dahin trug ihm der Junker einstweilen einige Geldgeschäfte auf, welche er in London wegen Hypothekschulden auszumachen hatte.
    Dies war das Hauptgeschäft, welches damals Herrn Dowling zur Stadt brachte; deswegen nahm er die Gelegenheit wahr, Herrn Alwerth zugleich einiges Geld mitzubringen und ihm bei der Gelegenheit von andern häuslichen Vorgängen Bericht zu erstatten, welches alles wir aber, da es zu trockne Materien sind, um in dieser Geschichte einen Platz zu verdienen, den Oheim, Neffen und ihren Anwalt [237] unter sich abmachen lassen und zu andern Materien übergehn wollen.

Achtes Kapitel.
    Enthält allerlei Materien.
     
    Vorher noch, ehe wir zum Herrn Jones zurückkehren, wollen wir uns noch einmal nach Sophie umsehen.
    Obgleich diese

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