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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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mir soviel Vergnügen verursachen daß dabei keine Dankbarkeit von Ihrer Seite Raum findet.« – »In der That, Herr Graf,« antwortete sie, »Sie können sich meine herzlichste Erkenntlichkeit, meine gute Meinung, meine freundschaftlichen Gesinnungen und Wünsche erwerben, so viel nur davon in meinen Kräften steht, ja Sie können sich solche sehr leicht erwerben; denn gewiß einem großmütigen Herzen muß es leicht sein, mir meine Bitte zu gewähren. Lassen Sie mich Sie also ersuchen, von einer Bewerbung abzustehn, bei welcher Sie doch niemals Ihren Zweck erreichen können. Ich bitte Sie um diese Gewogenheit, sowohl Ihrer selbst als meinetwegen; denn sicherlich sind Sie zu edel, um ein Vergnügen dran zu finden, ein unglückliches Geschöpf zu quälen. Sie können sich nichts anders als Mühe und Unruhe bei Ihrer Beharrlichkeit versprechen, welche, ich versichre es Ihnen auf meine Ehre! über mich nichts ausrichten kann, nichts ausrichten soll, so groß der Jammer auch sein mag, welchen Sie mir dadurch zuziehn.« – Hier holte der Graf einen tiefen Seufzer und sagte alsdann: »Ist es denn wirklich an dem, gnädiges Fräulein, daß ich so unglücklich bin, der Gegenstand Ihres Widerwillens und Ihrer Verachtung zu sein? oder werden Sie mir verzeihn, wenn ich mutmaße, ein andrer glücklicherer [239] Mann –« Hier hielt er inne und Sophie antwortete mit einigem Mute: »Herr Graf, ich bin Ihnen von den Gründen meines Verhaltens keine Rechenschaft schuldig. Ich bin Ihnen für die großmütigen Anerbietungen, die Sie gethan haben, verbunden; ich gestehe es, sie übertreffen meine Verdienste und meine Erwartungen! Unterdessen, Herr Graf, werden Sie nicht drauf bestehn, meine Gründe zu wissen, wenn ich Ihnen erkläre, daß ich solche nicht annehmen kann.« – Der Graf fand hierauf allerlei zu erwidern, welches wir nicht so völlig verstehn und welches auch vielleicht nicht gar genau mit dem gesunden Menschenverstande und mit den Regeln der Grammatik gereimt werden konnte. Er beschloß aber seine hohfliegende Rede damit, daß er sagte: »Wenn Sie bereits mit einem edlen Manne eine Herzensverbindung eingegangen wären, so würde er, so unglücklich es ihn auch machen müßte, sich als ein Mann von Ehre verbunden erachten, mit seiner Bewerbung zurückzutreten.« Vielleicht legte der Graf einen zu großen Nachdruck auf das Wort »edel«, denn sonst können wir nicht recht gut den Unwillen begreifen, den er Sophien einflößte, welche in ihrer Antwort eine Beleidigung, die er ihr zugefügt hätte, sehr nachdrücklich zu ahnden schien.
    Unterdessen sie mit mehr als gewöhnlich erhobener Stimme sprach, traten Ihro Gnaden, Fräulein Tante, mit heißglühenden Wangen und funkensprühenden Augen ins Zimmer. »Ich bin sehr beschämt, Herr Graf,« sagte sie, »über die Aufnahme, die Ihnen widerfahren ist. Ich versichre Sie, wir erkennen alle die uns erwiesene Ehre mit Dank, und ich muß Ihnen sagen, kleines Fräulein von Western, die Familie erwartet von Ihnen eine ganz andre Aufführung!« – Hier übernahm es der Graf, ein gutes Wort für Sophie einzulegen, aber vergebens; die Tante fuhr immer fort, bis Sophie ihr Taschentuch hervorzog, sich in einen Stuhl warf und in eine heftige Thränenflut ausbrach.
    Das übrige der Unterredung zwischen Ihro Gnaden Fräulein von Western und Seiner Hochgebornen Gnaden, bis sich der letzte hinwegbegab, bestand aus bitterlichen Klageliedern von seiner Seite und von der ihrigen aus den stärksten Versicherungen, daß ihre Niece in alle seine Wünsche einwilligen sollte und würde. »In der That, Herr Graf,« sagte sie, »das Mädchen hat eine thörichte Erziehung gehabt, die so wenig ihrem Vermögen als ihrer Familie angemessen war. Ihr Vater, es thut mir leid, daß ich es sagen muß, ist an allem schuld. Das Mädchen hat die einfältigen Begriffe der Landleute von züchtiger Schamhaftigkeit im Kopfe. Weiter ist es nichts, Herr Graf,
sur mon honneur!
Ich bin überzeugt, daß sie im Grunde sehr viel Verstand hat und sich wird zur Vernunft bringen lassen.«
    Diese letzte Rede ward in Sophiens Abwesenheit gehalten, denn sie hatte schon einige Zeit vorher das Zimmer mit mehr zornigen Mienen verlassen, als man sonst noch bei keiner Gelegenheit an ihr wahrgenommen hatte. Und nunmehr nahm der Graf nach mancherlei Versicherungen der Dankbarkeit gegen Tante Western, vielen Beteurungen von einer Leidenschaft, die er nicht besiegen könne, und [240] vielen Versicherungen von Beständigkeit, worin ihn

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