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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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will oder nicht.« Was Sophie hiermit meinte, oder ob sie überhaupt etwas meinte, das will ich hier nicht entscheiden; Madame Miller aber verstand es als einen Wink und legte alsobald den Brief auf den Tisch und nahm ihren Abschied, nachdem sie vorher um die Erlaubnis gebeten hatte, Sophien wiederum aufwarten zu dürfen, auf welches Begehren ihr weder mit Ja noch Nein geantwortet ward.
    Dieser Brief blieb nicht länger auf dem Tische liegen, als bis Madame Miller aus dem Gesichte war, da ihn dann Sophie öffnete und las.
    Der Brief that der Sache des Herrn Jones sehr geringe Dienste, denn er enthielt fast weiter nichts als Geständnisse seines eignen Unwerths und sehr bittere Klagen der Verzweiflung, nebenher die feierlichsten Beteurungen seiner unwandelbaren Treue gegen Sophie, wovon er sie, wie er sagte, zu überzeugen hoffte, wenn er jemals wieder die Ehre erhalten sollte, in ihre Gegenwart kommen zu dürfen, und daß er sich über den Brief an die Frau von Bellaston auf eine [233] solche Art erklären könnte, daß wenn es ihm auch kein Recht auf ihre Verzeihung gäbe, er doch dadurch diese Verzeihung von ihrer Güte würde hoffen können. Er schloß mit der Beteurung, daß ihm niemals etwas weniger in den Sinn gekommen sei, als die Frau von Bellaston zu heiraten.
    Obgleich Sophie den Brief zweimal mit großer Aufmerksamkeit durchlas, so blieb ihr seine Meinung noch immer ein Rätsel, und ihre ganze Erfindungskraft wollte ihr nichts an die Hand geben, womit sie Jones entschuldigen könnte. Sie blieb gewiß sehr verdrießlich über ihn, obgleich allerdings die Frau von Bellaston für sich von ihrem Zorne einen so großen Teil hinwegnahm, daß ihrer sanften Gemütsart davon nur sehr wenig für irgend eine andre Person übrig blieb.
    Jene ältere Dame war zu allem Unglück gerade an dem Tage bei ihrer Tante Western zum Essen gebeten und des Nachmittags war die Abrede getroffen, daß sie alle drei in die Oper und von da in eine große Spielgesellschaft oder Drum fahren wollten. Sophie hätte sich sehr gerne von allem losgesagt, sie wollte aber ihrer Tante nicht mißfällig werden und die Kunst des Krankwerdens war ihr so ganz und gar unbekannt, daß ihr nicht einmal davon ein Gedanke einfiel. Sobald sie demnach angekleidet war, ging sie hinunter, fest entschlossen, gegen die entsetzliche Langeweile des Tages anzukämpfen, und höchst unangenehm ward er ihr in der That, denn Frau von Bellaston nahm jede Gelegenheit wahr, ihr sehr höflicher-und listigerweise eins zu versetzen, auf welches alles sie wegen ihrer Niedergeschlagenheit außer stande war, eine Antwort zu geben, und die Wahrheit zu bekennen, war sie wirklich auch eben nicht stark in witzigen und stachligen Repliken.
    Noch ein andres Unglück, welches die arme Sophie überfiel, war die Gesellschaft des Grafen, den sie in der Oper antraf und welcher sie nach dem Drum begleitete. Und obgleich beide Orte zu öffentlich waren, um besondere Vertraulichkeiten zu gestatten, und ihr auch überdem an dem einen Orte die Musik und an dem andern die Karten eine Erleichterung gaben, so war ihr Gemüt dennoch in seiner Gesellschaft nicht ruhig, denn Frauenzimmer haben ein gewisses so zartes Gefühl, welches sie in Gesellschaft eines Mannes kaum gleichgültig bleiben läßt, von dem sie wissen, daß er solche Ansprüche auf sie macht, die sie nicht gesonnen sind zu begünstigen.
    Da ich in diesem Kapitel zweimal das Wort Drum genannt habe, welches unsre Nachkommenschaft, wie zu hoffen steht, in dem Sinne, worin es hier genommen wird 1 , nicht verstehen wird, so wollen wir, ungeachtet unsrer gegenwärtigen Eilfertigkeit, einen Augenblick darauf verwenden, die Art von Lustbarkeit zu beschreiben, welche es anzeigt, und das um so mehr, weil wir solche in einem Augenblicke beschreiben können.
    Ein Drum also ist eine Versammlung von wohlgekleideten Personen beiderlei Geschlechts, wovon die meisten Karten spielen [234] und die übrigen gar nichts thun; unterdessen daß die Frau vom Hause die Rolle einer Gastwirtin in einer Schenke spielt und sich, gleich einer Gastwirtin, mit der großen Anzahl ihrer Gäste brüstet, ob sie gleich nicht immer, wie eine Gastwirtin, einigen Gewinst davon hat.
    Kein Wunder also ist es, da so viele Munterkeit erfordert wird, in diese Auftritte der Langeweile auch nur einiges Leben zu bringen, wenn wir von Standespersonen die ewige Klage führen hören, daß ihnen dabei Zeit und Weile lang werde, eine Klage indessen, die sich bloß auf die vornehme

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