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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Dowling mit einer oder der andern von denjenigen Personen gesprochen hätte, die bei dem Duell zwischen Jones und einem andern Herrn zugegen gewesen?«
    Nichts ist so gefährlich als eine überraschende Frage an einen Menschen, der drauf umgeht, die Wahrheit zu verhehlen oder eine Falschheit zu verteidigen. Aus dieser Ursache geben sich die würdigen Männer, deren edles Geschäft es ist, das Leben ihrer Brüder und Nebenmenschen im großen Kriminalverhör von der Strafe des Strangs zu retten, durch fleißige vorläufige Uebungen im Examinieren die äußerste Mühe, eine jede Frage zu erraten, welche am Tage des ernsten Gerichts an ihre Klienten ergehen dürfte, damit sie auf solche diensame und gleichfertige Antworten vorbereitet sein mögen, welche ohne diese Vorsicht die fruchtbarste Erfindungskraft nicht sogleich auf der Stelle an die Hand geben möchte. Ueberdem verursacht der [264] plötzliche und heftige Stoß im Blute, der durch solche Ueberraschung entsteht, sehr oft eine solche Veränderung in der Farbe des Gesichts, daß der Mensch oft gezwungen wird, wider sich selbst zu zeugen. Und von dieser Beschaffenheit war wirklich die Veränderung, welche Herrn Blifils Gesichtsfarbe durch diese unerwartete Frage erlitt, so daß wir die Voreiligkeit der Madame Miller kaum tadeln können, welche augenblicklich ausrief: »Schuldig auf meine Ehre! schuldig auf meine Seele!«
    Wegen dieses Ungestüms gab ihr Herr Alwerth einen scharfen Verweis und darauf, indem er sich gegen Blifil wendete, der so aussah, als ob er in die Erde versinken wollte, sagte er: »Warum besinnst du dich lange, mir eine Antwort zu geben? Du mußt es ihm gewiß aufgetragen haben! Denn aus eigner freier Bewegung, glaube ich, würde er ein solches Geschäft nicht unternommen haben. Zum wenigsten nicht, ohne mir vorher ein Wort davon zu sagen.«
    Blifil antwortete darauf: »Ich bekenne, lieber Onkel, ich habe einen Fehler begangen, aber ich hoffe auf Ihre Verzeihung!« – »Meine Verzeihung?« sagte Herr Alwerth sehr entrüstet. – »O ja, lieber Herr Onkel!« antwortete Blifil. »Ich dachte, Sie würden es übelnehmen; aber ich weiß, mein teuerster Onkel wer den die Wirkungen der liebenswürdigsten unter den menschlichen Schwachheiten verzeihen. Mitleiden mit solchen Menschen haben, die es nicht verdienen, ist freilich, ich gestehe es, ein Vergehen, und dennoch ist es ein Vergehen, von dem Sie selbst noch nicht ganz frei sind. Ich weiß es, daß ich mir dasselbe mehr als einmal gegen die nämliche Person habe zu schulden kommen lassen, und ich will es nur gestehen, ich war es, der Herrn Dowling hinschickte, nicht aus eitler unnützer Neugier, sondern um die Zeugen ausfindig zu machen und sich Mühe zu geben, ihr Zeugniß aufs möglichste zu mildern. Dies, lieber Herr Onkel, ist die Wahrheit, die ich Ihnen nicht leugnen will, ob ich gleich willens war, es Ihnen zu verhehlen.«
    »Ich bekenne,« sagte Nachtigall, »daß es mir nach dem Betragen des Herrn Dowling ebenso vorgekommen ist.«
    »Nun, Madame!« sagte Alwerth, »ich glaube, Sie werden in Ihrem Leben einmal gestehen, daß Sie einen falschen Argwohn geschöpft haben und daß Sie meinem Neffen nicht mehr so böse sind, als Sie waren.«
    Madame Miller schwieg still, denn ob sie gleich Herrn Blifil nicht so schnell wieder gut werden konnte, weil sie ihn als den Mann ansah, der ihren Jones zu Grunde gerichtet hätte, so hatte er sie doch in der vorliegenden Sache ebensogut hintergangen als alle übrigen; so treufleißigen Beistand hatte ihm der Teufel geleistet! Und in der That halte ich dafür, daß das pöbelhafte Sprichwort: »der Teufel kehrt oft seinen Freunden den Rücken zu und läßt sie in der Patsche stecken« eine Verleumdung des Charakters dieses Herrn mit dem Pferdefuß sei. Vielleicht mag er zuweilen bei solchen Menschen nicht durchaus stichhalten, welche bloß seine guten Zechbrüder oder höchstens nur halb sein Eigentum sind; aber gewöhnlich hält er bei denen steif und fest bis ans Ende, die sich seinem Dienste ganz ergeben [265] haben, und ihnen hilft er aus allen ihren Verlegenheiten, bis der Kontrakt abläuft.
    Sowie eine gedämpfte Rebellion die Regierung befestigt, oder wie die Gesundheit durch die Genesung von einer Krankheit dauerhafter wird, so gibt auch der Zorn, wenn er aus dem Wege geräumt worden, dem Wohlwollen neues Leben. Dies war der Fall mit Herrn Alwerth; denn nachdem Blifil den größern Verdacht niedergeschlagen hatte, so sank der kleinere, durch Quadrats

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