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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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geringsten darauf zu achten, wie die Beschaffenheit der Sachen war, sondern, wie er wollte, daß sie scheinen sollten. Denn eine unverbrüchliche Anhänglichkeit an Wahrheit gehörte eben nicht unter die Artikel der Religion oder der Moral dieses ehrlichen Kerls.
    Während dieser Unterredung empfahl sich Herr Nachtigall, und bald darauf verließ Madame Miller das Zimmer, da dann Alwerth seinen Neffen ebenfalls beurlaubte. Denn er meinte, Rebhuhn würde, wenn er sich mit ihm allein befände, unbefangener herausgehn, als vor größerer Gesellschaft. Sie befanden sich also nicht sobald unter vier Augen, als Herr Alwerth anhob, wie das folgende Kapitel besagt.

Sechstes Kapitel.
    In welchem die Geschichte fortgesetzt wird.
     
    »In Wahrheit, guter Freund,« sagte der gute Mann, »Er ist der seltsamste Mensch, den ich auf der Welt kenne. Nicht nur, daß Er, wie es Ihm ehemals ergangen, wegen seiner steifköpfigen Beharrlichkeit [267] auf einer Unwahrheit, Not und Leiden über sich ergehen läßt, sondern daß Er noch bis auf den letzten Punkt darauf besteht und von der Welt für den Bedienten Seines eigenen Sohnes passieren will! Was für Nutzen kann Er bei alledem haben? Was kann Ihn hierzu antreiben?«
    »Ich sehe,« sagte Rebhuhn, wobei er auf die Kniee fiel, »Ewr. Gnaden sind gegen mich eingenommen, und sind entschlossen, mir nichts von alledem zu glauben, was ich sage; was hülfen also alle meine Beteurungen? Aber, da droben ist einer, der es weiß, daß ich der Vater dieses jungen Mannes nicht bin.«
    »Wie?« sagte Alwerth, »will Er noch diesen Augenblick das leugnen, dessen Er vorlängst durch so unwidersprechliche, so offenbare Beweise überführt worden ist? Ja, welch eine Bestätigung alles dessen, was vor zwanzig Jahren wider Ihn sprach, ist nicht dieser Umstand, daß Er jetzt sich grade bei eben dem Manne befindet? Ich dachte, Er hätte die Grafschaft verlassen; ja, ich hielt Ihn längst schon für tot. – – Wie gelangte Er dazu, etwas von diesem jungen Menschen zu erfahren? Wie kam Er zu ihm, wenn Er gar kein Verständnis mit ihm unterhielt? Leugne Er mir das nicht; denn ich gebe Ihm mein Wort, es wird meine gute Meinung von Seinem Sohne um ein Großes erhöhen, wenn ich finde, daß er die kindliche Pflicht so heilig hält, seinen Vater so manche Jahre hindurch insgeheim zu unterstützen.«
    »Wenn Ewr. Gnaden Geduld haben wollen, mich anzuhören,« sagte Rebhuhn, »so will ich Ihnen alles erzählen.« – – Nachdem er Befehl erhalten hatte, zu reden, fuhr er folgendermaßen fort: »Als Ewr. Gnaden den damaligen Unwillen auf mich warfen, richtete er mich bald darauf zu Grunde, denn ich büßte meine kleine Schule ein und der Pfarrer, welcher, wie ich glaube, dafür hielt, 's würde Ewr. Gnaden damit ein Gefallen geschehn, setzte mich auch ab von meiner Stelle als Küster, so daß ich weiter nichts hatte, womit ich mein Brot verdienen sollte, als meine Barbierstube, die aber an einem Orte auf dem Lande, wie jener ist, nur sehr wenig abwirft; und als meine Frau starb (denn bis dahin bekam ich jährlich zwölf Pfund Sterling Gnadengehalt von einer unbekannten Hand, welches wirklich, wie ich glaube, Ewr. Gnaden eigne Hand war, denn ich habe außer Ihnen noch von keinem Menschen gehört, der solche Wohlthaten ausübte), aber, wie ich sagen wollte – als sie starb, hörte dieser Gnadengehalt auf, so daß ich, weil ich zwei oder drei Menschen eine Kleinigkeit schuldig war, die mich stark zu drängen anfingen (besonders war darunter ein Posten, den der Advokat von fünf Thalern, durch die Gerichts- und Advokaten Gebühren, bis auf hundert und achtzig zu treiben wußte, und ich fand, daß mir alle Mittel meines Lebens Unterhalt zu verdienen, benommen waren, schnürte ich mein bißchen Armut in ein Bündel und machte mich auf und davon.«
    »Der erste Ort, wo ich hinkam, war Salisbury, woselbst ich bei einem Rechtsgelehrten, und einem der besten Menschen, die ich noch gekannt habe, in Dienste gelangte; denn er war nicht nur sehr gütig [268] gegen mich, sondern ich weiß auch wohl tausend gute und wohlthätige Handlungen von ihm, unter der Zeit ich bei ihm war, und ich weiß von ihm, daß er manche Sache von der Hand gewiesen hat, weil er sie unrechtmäßig und faul befand.« – »Er braucht nun eben nicht so umständlich zu sein,« sagte Alwerth, »ich kenne diesen Gelehrten. Ich weiß, es ist ein sehr würdiger Mann, der seiner Profession Ehre macht.« – »Gut also, Ewr. Gnaden!« fuhr Rebhuhn fort.

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