Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
diesem Geiste der Finsternis aus einem Knaben vertrieben, an dem ichs in seiner frühesten Kindheit bemerkt, daß der Teufel bereits völlig von ihm Besitz genommen hatte; aber, leider! kommen dergleichen Betrachtungen zu spät.
Es kann mir nicht anders als leid thun, daß Sie die einträgliche Pfarre zu Westerton so eilig vergeben haben. Ich würde mich dazu früher gemeldet haben, hätte ich nicht gedacht, Sie würden mich bei Besetzung dieser Stelle wohl wenigstens vorher um Rat fragen. Ihre Einwendungen wider die Gewohnheit, daß ein Prediger mehr als Eine Pfarre besorgt, fallen unter den Spruch Salomons: Seid nicht allzu gerecht. Denn wenn bei dieser Gewohnheit irgend etwas Anstößiges oder Ungerechtes wäre, so würde man nicht so [261] viele fromme und gottselige Diener der heiligen Kirche finden, welche das Seelenheil von mehr als Einem Kirchspiele besorgen. Sollte der Prediger zu Aldergrove sterben (wie ich höre, daß er sehr kränklich ist), so hoffe ich, Sie werden die Güte haben, bei Vergebung dieser Stelle meiner im besten eingedenk zu sein; denn ich zweifle keineswegs, Sie müssen von meiner aufrichtigen, treuen Ergebenheit überzeugt sein, womit ich für Ihre höchste Wohlfahrt besorgt bin, eine Wohlfahrt, gegen welche alles Irdische ebenso geringfügig ist als die Korn- und Fleischzehnten, deren die heilige Schrift erwähnt, gegen die Erfüllung des ganzen Gesetzes sind. Ich habe die Ehre zu verharren meines hochgeehrten Herrn Kirchenpatrons dienstwilliger Diener und getreuer Fürbitter
Melchior Schwoger.«
Dies war das erste Mal, daß Ehren Schwöger jemals in diesem Hochwürdenstile an Herrn Alwerth schrieb, und er hatte nachmals hinlängliche Ursache es zu bereuen, wie es gewöhnlich denjenigen zu gehen pflegt, welche irrigerweise den höchsten Grad von Güte für die niedrigste Stufe von Schwachheit halten. In der That hatte Herr Alwerth diesen Mann niemals so recht genießen können. Er wußte, daß er stolz und tückisch wäre; er sah auch wohl ein, daß selbst seine Theologie einen Anstrich von seiner Gemütsart angenommen hatte, weswegen er solche in verschiednen Rücksichten gar nicht annehmen oder billigen konnte. Aber Schwöger besaß zugleich manche gründliche Gelehrsamkeit und war im Unterricht der beiden Knaben unermüdet gewesen. Hierzu setze man noch die strengste Zucht in seinem Leben und in seinen Sitten, eine unverdächtige Ehrlichkeit und eine andächtige Uebung seines Gottesdienstes. So daß, obwohl, im ganzen genommen, Herr Alwerth diesen Mann weder liebte noch hochschätzte, er sich doch niemals entschließen konnte, einen Informator der beiden Knaben abzuschaffen, der zu diesem Amte sowohl in Rücksicht auf seine Gelehrsamkeit als auf seinen Fleiß mehr als gewöhnlich geschickt war. Dabei hoffte er, weil sie in seinem Hause und unter seinen Augen erzogen würden, allemal die Gelegenheit zu finden, das zu verbessern, was in Herrn Schwögers Erziehung etwa verschroben sein möchte.
Fünftes Kapitel.
In welchem die Geschichte fortgesetzt wird.
Herr Alwerth war in seiner letzten Rede auf gewisse zärtliche Erinnerungen an Herrn Jones geführt, welche dem guten Manne die Thränen in die Augen gebracht hatten. Da dies Madame Miller bemerkte, sagte sie: »Ach, ja freilich, Herr von Alwerth! Ihr liebreiches Herz gegen den armen jungen Mann ist bekannt genug, ungeachtet aller Mühe, die Sie sich geben, es zu verhehlen. Aber es ist nicht ein einziges wahres Wort an dem, was diese gottlosen Buben sagen. Herr Nachtigall ist der ganzen gottlosen Geschichte auf die Spur gekommen. Es kommt heraus, daß diese Kerle von [262] einem gewissen Grafen, welcher des armen Herrn Jones Nebenbuhler ist, angestellt waren, um ihn mit Gewalt zum Seesoldaten wegzunehmen. Aber ich hoffe, das gewaltsame Werben soll ihm teuer zu stehn kommen! Mein Herr Sohn Nachtigall hat mit dem Offizier selbst gesprochen, der ein recht feiner Mann ist und ihm alles gesagt hat und dem es sehr leid thut, was er unternommen hat, und er würde es in seinem Leben auch nicht gethan haben, wenn er gewußt hätte, daß Herr Jones ein rechtlicher, feiner Mann wäre; aber man hatte ihm gesagt, es wäre bloß ein Taugenichts und Landstreicher.«
Herr Alwerth ward über dies alles sehr stutzig und versicherte, er begreife von allem, was sie sagte, kein Wort. »Ja, lieber Herr von Alwerth, das glaube ich wohl!« antwortete sie, »es ist auch eine ganz andre Historie, glaube ich, als wie diese Kerle dem Herrn Advokaten
Weitere Kostenlose Bücher