Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
brauchst nichts weiter zu sagen,« antwortete Alwerth. »Ich will ganz deutlich gegen dich herausgehn. Ich weiß, was du beklagst; ich habe das junge Frauenzimmer besucht, und habe deinetwegen mit ihr gesprochen. Darauf muß ich bestehen, als auf einen Beweis alles dessen, was du gesagt hast, und der Zuverlässigkeit deines Entschlusses, daß du mir in einem Punkte gehorsamest: und zwar darin, daß du dir die Entscheidung der jungen Dame gefallen lassest, sie falle für deinen Wunsch aus, oder nicht. Sie hat bereits genug von solchen Ansuchungen erlitten, wovon ich das Andenken hasse. Sie soll meiner Familie wegen keinen Zwang mehr erdulden. Ich weiß, ihr Vater wird jetzt eben so bereitwillig sein, sie deinetwegen zu quälen, als er es vorhin eines andern wegen war. Aber ich bin des festen Vorsatzes, sie soll keine Einsperrungen, keine Gewaltthätigkeiten, keine kummervollen Stunden mehr auszustehn haben.« – »O mein teuerster Onkel,« antwortete Jones, »legen Sie mir, ich bitte Sie, Befehle auf, in deren Erfüllung mein Gehorsam verdienstlicher sei. Glauben Sie mir, der einzige Punkt, worin ich Ihnen ungehorsam sein könnte, wäre, wenn ich meiner Sophie einen Augen blick Unruhe machen sollte. Nein, lieber Onkel, wenn ich so unglücklich gewesen bin, ihr Mißfallen ohne alle Hoffnung auf Verzeihung auf mich geladen zu haben: so ist dieses allein, nebst dem nagenden Gedanken, sie elend zu machen, hinlänglich genug mich zu Boden zu drücken. Sophie die meinige zu nennen, ist das größte, und jetzt das einzige mir noch fehlende Glück, das der Himmel mir bescheren kann; aber es ist ein Glück, welches ich allein nur ihr zu verdanken haben muß.« – »Ich will dir nicht schmeicheln, Kind,« sagte Alwerth. »Ich fürchte, deine Sache steht bis zum Verzweifeln schlecht. Niemals sah ich bei irgend einer Person stärkere Merkmale eines unveränderlichen Entschlusses, als ich in ihren heftigen Erklärungen, deine Bewerbung nicht anzunehmen, wahrnahm. Ihre Gründe kannst du dir vielleicht besser erklären, als ich.« – »O liebster Onkel, nur zu gut kann ich sie mir erklären,« antwortete Jones. »Ich habe mich an ihr versündigt, weit über alle Grenzen der Hoffnung auf Verzeihung; und so strafbar ich bin, so scheint ihr doch mein Verbrechen unglücklicherweise noch zehnmal schwärzer, als es seiner natürlichen Farbe nach ist. O teuerster Onkel! ich finde, meine Thorheiten sind nicht wieder gut zu machen, und alle Ihre Güte kann mich nicht vom Untergange retten.«
Ein Bedienter sagte jetzt an, der Herr von Western sei unten im Hause; denn seine Begierde, Herrn Jones zu sehn, konnte den Nachmittag nicht erwarten. Worauf Jones, dem die Augen voller Thränen standen, seinen Onkel bat, Herrn Western einige Minuten zu unterhalten, bis er sich ein wenig wieder gefaßt hätte, welches [292] der gute Mann bewilligte, und nachdem er befohlen, daß man Herrn Western ins Besuchzimmer führen sollte, ging er zu ihm hinunter.
Madame Miller hatte nicht so bald erfahren, daß Jones allein wäre (denn sie hatte ihn seit seiner Entlassung noch nicht gesehen), als sie eiligst nach seinem Zimmer kam, auf Jones zuging und ihm zu seinem neugefundenen Oheim und seiner Aussöhnung mit ihm von Herzen Glück wünschte. Sie fügte hinzu: »Ich wollte wünschen, ich könnte Ihnen noch anders wozu Glückwünsche abstatten, mein liebes Kind; aber so was Unerbittliches hab' ich noch niemals gesehn.« – Jones fragte sie mit anscheinender Verwunderung, was sie meine. »Je nun!« sagte sie, »ich bin bei der lieben jungen Dame gewesen, und habe ihr die Sachen alle so deutlich erklärt, als mein Sohn Nachtigall mir sie gesagt hat. Ueber den Brief kann sie länger keinen Zweifel haben, das weiß ich gewiß; denn ich sagt' ihr, mein Sohn Nachtigall wäre billig und bereit, einen Eid abzulegen, wenn sie 's verlangte, daß es alles seine eigne Erfindung gewesen, und daß er den Brief selbst in die Feder gesagt hätte. Ich sagt' ihr, daß justement die Ursach, warum Sie den Brief hingeschickt hätten, Sie ihr noch desto lieber machen sollte, weil es ja aus Liebe zu ihr geschehen, und ein deutlicher Beweis wäre, daß Sie entschlossen gewesen, Ihren sündlichen Umgang ins Zukünftige zu unterlassen; daß Sie ihr auch nicht ein einziges Mal untreu gewesen wären, von dem Augenblick an, da Sie sie in der Stadt gesehen hätten. Ich fürchte wohl, daß ich zuviel gesagt haben kann; aber der Himmel wird mir's vergeben! Ich hoffe, Ihre künftige
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