Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Wesentlichste zu bekümmern, müssen wir uns damit begnügen zu sagen: daß Western, nachdem [294] wegen des Nachmittags-Besuchs alles völlig abgeredet war, wieder nach Hause ging.
Elftes Kapitel.
Die Geschichte naht sich immer mehr dem Schlusse.
Als Herr Western weggegangen war, begann Jones, Herrn Alwerth und Madame Miller zu berichten, wie seine Freiheit durch zwei Herrn vom hohen Adel bewirkt worden sei, die mit einander, nebst zwei Wundärzten und einem Freunde von Herrn Nachtigall, zu der Magistratsperson gegangen wären, die ihn hatte setzen lassen, und die ihn, auf die eidliche Aussage der Wundärzte, daß der Verwundete in keiner Art von Gefahr sei, wieder losgegeben hatte.
Nur einen von diesen Vornehmen von Adel, sagte er, habe er vorher gesehn, und zwar nur ein einziges Mal; der andre aber habe ihn in große Verwunderung gesetzt, da er ihn wegen einer ihm zugefügten Beleidigung um Vergebung gebeten, die bloß dadurch, nach seiner Versicherung, veranlaßt worden, daß ihm völlig unwissend gewesen, wer er wäre.
Nun war die eigentliche Beschaffenheit dieses Umstandes, wie Jones erst spät nachher erfuhr, diese: Der Leutnant, den der Graf Liebegrimm gebraucht hatte, um Herrn Jones, auf Anraten der Frau von Bellaston, als einen gewerblosen Landstreicher zum Seedienst wegnehmen zu lassen, sprach, als er dem Grafen von dem bekannten Vorgange Bericht erstattete, sehr vorteilhaft von Jones' durchgängigem Betragen, und versicherte diesem Herrn aufs nachdrücklichste, es müsse ein Irrtum in der Person vorgegangen sein; denn Jones wäre gewiß ein Mann von feiner Erziehung, dergestalt, daß der Graf, welcher ein Mann war, der stark auf Ehre hielt, und sich auf keine Weise eine Handlung zu schulden kommen lassen wollte, die die Welt im allgemeinen verdammt haben würde, über den Rat, den er befolgt hatte, sehr betroffen zu werden anfing.
Ungefähr ein paar Tage nachher traf sich's, daß dieser Graf mit dem irländischen Peer zum Mittagessen war, welcher, in einem Gespräche über das Duell, der Gesellschaft den Charakter des Herrn Fitz Patrick beschrieb, dem er nun freilich wohl nicht die strengste Gerechtigkeit widerfahren ließ, in Rücksicht auf seine Gemahlin besonders. Denn er sagte, sie wäre die unschuldigste und am ärgsten gemißhandelte Frau auf der Welt, und er habe sich bloß aus Mitleiden ihrer angenommen. Er sagte darauf, er sei willens, des nächsten Morgens nach Herrn Fitz Patricks Wohnung zu gehen, um ihn, wo möglich, dahin zu bereden, in eine Scheidung von seiner Frau zu willigen, die, wie der Peer sagte, für ihr Leben besorgt sein müßte, wenn sie jemals wieder unter die Gewalt ihres Ehemanns geriete. Der Graf Liebegrimm nahm mit ihm Abrede, ihn zu begleiten, um sich von dem, was den Herrn Jones und die Umstände des Zweikampfs beträfe, noch gewisser zu überzeugen; denn er war über die Rolle, die er gespielt hatte, nichts weniger als [295] ruhig. Den Augenblick, da sich der Graf merken ließ, daß er bereitwillig sei, ihm in der Befreiung der Dame beizustehn, nahm der irländische Reichsgraf das Anerbieten mit beiden Händen an, weil er ein großes Vertrauen auf Liebegrimms Ansehn setzte, und meinte, es würde ein Großes beitragen, daß Fitz Patrick aus Ehrerbietung nachgeben müßte. Und vielleicht hatte er nicht Unrecht: denn der arme Irländer sah nicht so bald, daß zwei Herrn vom ersten Adel sich der Sache seiner Ehefrau unterzogen hätten, als er sich unterwarf und die Artikel der Scheidung von beiden Seiten aufgesetzt und unterzeichnet wurden.
Fitz Patrick, entweder weil er durch Madame Waters völlig von der Unschuld seiner Frau, in Absicht auf Jones zu Upton, zufrieden gestellt war, oder, vielleicht aus einer andern Ursache, war über diese Sache so gleichgültig geworden, daß er gegen den Grafen Liebegrimm sehr vieles zum Vorteil des Herrn Jones sagte, alle Schuld auf sich selbst nahm, und versicherte, der andre habe sich völlig so benommen, wie es einem Kavalier und Manne von Ehre gezieme und gebühre; und auf des Grafen weiteres Fragen nach Herrn Jones' Umständen sagte ihm Fitz Patrick, er wäre der Neffe eines Herrn von sehr vornehmem Stande, und von sehr großem Vermögen, denn dies war die Nach richt, die er kurz vorher von Madame Waters, nach ihrer Unterredung mit Dowling, erhalten hatte.
Der Graf Liebegrimm dachte nunmehr, es gezieme ihm, alles zu thun, was in seinem Vermögen stünde, um einem Edelmann Genugthuung zu geben, den er so gröblich beleidigt
Weitere Kostenlose Bücher