Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
ausschlagen würde, als den Herrn Jones. Selbst die Bewerbung des Herrn Blifil würde mir weniger unangenehm sein.«
Der Junker Western war schon längst wegen des Ausgangs dieser Unterredung sehr ungeduldig gewesen und war gerade eben jetzt an die Thür gekommen, um zu horchen, als er bei Anhörung dieser letzten Gesinnung des Herzens seiner Tochter alle Mäßigung verlor, die Thür in voller Wut aufsprengte und zu schreien begann: »'s ist 'ne Lüge, 's ist 'n verdammte Lüge! 's ist alles d' Schuld des vertrackten Buben, des Jon's! und wenn sie 'n nur kriegen könnte,
den
; sie nähm'n gleich all' Stund' und Augenblick'.« Hier legte sich Alwerth ins Mittel, und indem er sich mit einigem Verdruß im Blicke gegen den Junker wendete, sagte er: »Herr Nachbar, [287] Sie halten mir nicht Wort. Sie versprachen mir, sich aller Gewaltthätigkeiten zu enthalten.« – »Nun ich hab's ja gethan!« schrie Western, »so lang's möglich war; aber zu hören, daß 'ne Dirne solch' ausverschämte Lügen vorbringt – alle Hagel! meint sie, sie kann ander' Leute eben so gut foppen, als sie mich gefoppt hat? Nee, Herr Nachbar, ich kenn' sie besser, als du thust.« – »Ich sag' es Ihnen nicht gern, Herr Nachbar,« antwortete Alwerth, »aber aus Ihrem Betragen gegen Ihre Tochter erhellt es nicht, daß Sie sie nur im geringsten kennen! Verzeihen Sie mir, was ich da sage; aber mich deucht, unsre genaue Bekanntschaft, Ihr eignes Verlangen, und die Veranlassung berechtigen mich dazu. Sie ist Ihre Tochter, Herr Western, und ich denke, sie macht Ihrem Namen Ehre. Wenn ich jemand beneiden könnte, so würde ich Sie ihretwegen eher beneiden, als irgend einen Mann auf der Welt.« – »Nu! daß ich alle Tausend!« schrie der Junker; »ich wollt' 's wäre dein, und Schmuckhand dazu sollt'st bald froh sein, wenn du den Brast wieder vom Halse hätt'st.« – »In der That, mein lieber Freund,« antwortete Alwerth, »Sie selbst sind schuld an aller Last und Unruhe, worüber Sie klagen. Setzen Sie das Vertrauen in das junge Fräulein, welches sie so wohl verdient, und ich bin überzeugt, Sie werden der glücklichste Vater auf Erden sein.« – »Ich? Vertrauen in sie?« schrie der Junker. »Blix und der Hagel! Was vor 'n Vertrauen kann ich in ihr setzen, wenn sie nicht thut, was ich haben will? Laß sie nur gutwillig heiraten, wen ich hab'n will! Sollst sehn, ob 'ch nich alles Vertrauen in 'r setzen will, was sie verlangen könne!« – »Sie haben kein Recht, Herr Nachbar,« antwortete Alwerth, »drauf zu bestehn, daß sie einwilligen soll. Eine verneinende Stimme räumt Ihnen Ihre Tochter ein; und Gott und Natur haben für diensam erachtet, Ihnen nichts weiter einzuräumen.« – »Verneinende Stimme!« schrie der Junker. »Ei, seht doch! Ich will Euch weisen, was vor 'ne verneinende Stimme ich hab' – schier dich fort! Fort in deine Kammer! geh du eigensinnig's Mensch!« – »In der That, Herr Nachbar,« sagte Alwerth, »in der That, Sie gehen grausam mit ihr um! So etwas kann ich nicht mit ansehn. – Sie sollen, Sie müssen ihr gütiger begegnen! Sie verdient die liebreichste Behandlung.« – »Ja, ja!« sagte der Junker, »ich weiß wohl, was sie verdient. Nun sie fort ist, will ich's Ihn'n wohl zeigen, was sie verdient. – Sehn Sie 'n mal hier, Nachbar! hier ist 'n Brief von meiner Kousine, von Frau von Bellaston, worin sie so gütig ist und mir zu verstehen gibt, daß der Kerl wieder aus 'n Gefangenhaus los ist, und hier rät sie mir, daß ich ja 'n wachsames Aug' aufs Mädchen hab'n soll. Ja, beim Teufel! Nachbar Alwerth Sie wissen dar viel von, was 's heißt, ne Tochter recht zu regieren.«
Der Junker endigte seine Rede mit einigen Komplimenten, die er seinem Verstande machte; und alsdann gab ihm Alwerth, nach einer förmlichen Vorrede, Nachricht von der ganzen Entdeckung, welche er in Ansehung des Herrn Jones gemacht hatte, nebst seinem [288] Zorn über Blifil, und von andern Vorfällen, womit der Leser bereits im vorigen Kapitel bekannt gemacht ist.
Menschen von überheftiger Gemütsart sind gemeiniglich auch ebenso veränderlich. Der Junker Western war sonach nicht so bald von des Herrn Alwerth Vorsatz unterrichtet, daß er Herrn Jones zu seinem Erben einsetzen wollte, als er in jedes Lob des Onkels, das er seinem Neffen erteilte, aus vollem Herzen einstimmte, und eben so begierig nach einer Heirat seiner Tochter mit Herrn Jones war, als er sie vorher an Blifil hatte verkuppeln wollen.
Hier ward Herr Alwerth abermals
Weitere Kostenlose Bücher