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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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hatte; und ohne alle Rücksicht auf Nebenbuhlerschaft (denn er hatte nunmehr schon alle Gedanken an Sophie aufgegeben,) nahm er sich vor, Herrn Jones die Freiheit zu verschaffen, da er von Herrn Fitz Patrick sowohl als von dem Wundarzte die Versicherung erhalten hatte, daß die Wunde nicht tötlich sei. Er beredete also den irländischen Peer, ihn nach dem Orte zu begleiten, wo Jones gefangen saß, woselbst er sich denn so betrug, wie wir bereits erzählt haben.
    Nachdem Alwerth wieder nach Hause gekommen war, nahm er unsern Jones geradesweges mit sich auf sein Zimmer, und unterrichtete ihn von allem, sowohl was er von Madame Waters vernommen, als was er durch den Herrn Dowling entdeckt hatte.
    Jones bezeigte hierüber sein großes Erstaunen und nicht geringeres Bedauern, ohne jedoch die mindeste Bemerkung darüber zu machen. Und nunmehr ward eine Botschaft von Blifil gebracht, mit der Bitte, zu vernehmen, ob sein Onkel Zeit habe und er ihm aufwarten dürfe. Alwerth stutzte und ward blaß, und befahl dann dem Bedienten, mit einem zornigern Tone, als womit er, wie ich glaube, in seinem Leben vorher etwas befohlen hatte, er solle Blifil sagen, er kenne ihn nicht. – »Bedenken Sie, liebster Onkel!« sagte Jones mit zitternder Stimme. – »Ich habe bedacht!« antwortete Alwerth; »und du selbst sollst dem Bösewicht meine Entschließung überbringen. Niemand kann besser dazu gewählt werden, ihm das Urteil seines eignen Verderbens anzukündigen, als der Mann, an [296] dessen Untergange er mit so höllischer Bosheit gearbeitet hat.« – »Verzeihn Sie mir, mein teuerster Onkel,« sagte Jones; »ein Augenblick Ueberlegung wird Sie, ich weiß es gewiß, vom Gegenteile überführen. Dasjenige, was von einer andern Zunge vielleicht eine Gerechtigkeit wäre, würde von der meinigen hämische Bitterkeit, und gegen wen? – gegen meinen eignen Bruder, Ihren Neffen. – Auch hat er mich nicht so barbarisch behandelt. – In der That, dies würde weniger zu entschuldigen sein, als alles, was er an mir gethan hat. Begierde nach Reichtum mag Menschen von schlechten Gesinnungen in Versuchung führen können, ungerecht zu handeln; aber hämische Schadenfreude entsteht bloß aus einem schwarzen tückischen Gemüte, und hat keine Versuchung zur Entschuldigung anzuführen. – Lassen Sie mich bitten, liebster Onkel, daß Sie in der jetzigen Wallung Ihres Zorns nichts gegen ihn vornehmen wollen. Bedenken Sie, bester, teuerster Onkel, ich ward ja auch nicht ungehört verdammt.« Alwerth stund einen Augenblick und schwieg; und dann fiel er Jones um den Hals, wobei ihm die Thränen aus den Augen stürzten: »O mein Sohn, mein Sohn! Gegen was für ein Herz bin ich so lange blind gewesen!«
    Nach einem leisen Anpochen, welches nicht gehört worden, trat Madame Miller in eben diesem Augenblicke ins Zimmer, und wie sie Jones in den Armen seines Onkels sah, fiel die brave Frau in ihren Freudenkrämpfen auf die Kniee und brach aus in Worten der höchsten Erhebung der Seele für das, was geschehen, dem Himmel Dank zu opfern. – Dann lief sie nach Jones hin, umarmte ihn mit herzlichster Inbrunst, und sagte mit Thränen der Wonne: »Mein teuerster Freund, ich wünsche Ihnen tausend, tausend Glück zu diesem so seligen Tage!« Und hiernächst erhielt auch Herr Alwerth eben die Glückwünsche, auf welche er antwortete: »Wirklich, wirklich, Madame Miller, ich bin unaussprechlich glücklich!« Nachdem noch einige dergleichen Entzückungen mehr von allen Seiten vorgefallen waren, bat Madame Miller beide, sie möchten mit ins Besuchzimmer herunter kommen und zu Mittag bei ihr essen, weil daselbst, wie sie sagte, eine kleine Anzahl froher Menschen versammelt wären, welches in der That keine andern waren, als Nachtigall mit seiner jungen Ehefrau, und seine Kousine Henriette mit ihrem jungen Ehemanne.
    Alwerth entschuldigte sich, daß er nicht mit der Gesellschaft essen könne. Er sagte, er habe für sich und seinen Neffen ein paar Schüsseln auf sein Zimmer bestellt, weil sie von besondern Angelegenheiten mit einander sprechen müßten; er wollte sich aber das Vergnügen nicht versagen, der lieben Frau zu versprechen, daß sowohl er als Jones ihre Gesellschaft beim Abendessen verstärken wollten.
    Madame Miller fragte hierauf, wie es nun mit Blifil werden sollte? »Denn, in Wahrheit,« sagte sie, »ich kann nicht ruhig sein, so lang' ein solcher Bösewicht unter meinem Dache ist.« – Alwerth antwortete, er wäre in eben der Rücksicht nicht weniger

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