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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Philosophie als eine Krankheit behandeln müssen, ist diese leichte Gefahr des Rückfalls nicht weniger sichtbar. So ging es auch der armen Sophie; bei welcher gleich das nächste Mal, da sie den jungen Jones sah, die vorigen Anzeichen wiederkehrten und von der Zeit an ihr Herz abwechselnd mit Hitze und Frost angriffen.
    Die Umstände dieses jungen Frauenzimmers waren jetzt sehr verschieden von dem, was sie vorher gewesen waren. Dieselbe Leidenschaft, die ihr vordem so unaussprechlich behaglich gewesen, ward jetzt zum Skorpion in ihrer Brust. Sie widerstand ihr daher aus äußersten Kräften, und bot alle Gründe auf, die ihre Vernunft (die für ihr Alter bewunderungswürdig stark war) nur an die Hand geben konnte, um sie zu unterdrücken und aus ihrem Herzen zu verbannen. Hierin glückte es ihr insofern, als sie anfing, von Zeit und Entfernung eine vollkommne Genesung zu hoffen. Sie beschloß demnach, den Tom Jones so viel als möglich zu vermeiden; zu welchem Ende sie einen Vorsatz faßte, ihre Tante zu besuchen, wozu sie ihres Vaters Einwilligung zu erhalten nicht zweifelte.
    Das Glück aber, welches andre Anschläge im Schilde führte, machte dadurch einen plötzlichen Strich durch alle ihre Rechnungen, daß es einen Zufall herbeiführte, welcher im nächsten Kapitel erzählt werden soll.

Dreizehntes Kapitel.
    Sophien begegnet ein fürchterlicher Zufall. Tom Jones' wackeres Betragen und die fürchterlichen Folgen dieses Betragens für die junge Dame nebst einer kurzen Abschweifung zu Gunsten des schönen Geschlechts.
     
    Junker Western ward von Tag zu Tag verliebter in seine Tochter, und es ging damit so weit, daß seine geliebten Hunde fast in den Fall kamen, ihr in seiner Freundschaft Platz zu machen; jedoch weil er's nicht über's Herz bringen konnte, diese zu verlassen, so erfand er den schlauen Kunstgriff, ihre Gesellschaft und die Gesellschaft seiner Tochter zu gleicher Zeit zu genießen, indem er in sie drang, sie solle mit ihm auf die Jagd reiten.
    Sophie, der ein Wort von ihrem Vater ein Gesetz war, weigerte sich nicht lange, sein Begehren zu erfüllen, obgleich sie nicht das [168] geringste Vergnügen an einer Belustigung fand, die zu viel Rauhes und Mannhaftes mit sich führte, um sich mit ihrer Gemütsart zu reimen. Unterdessen hatte sie außer ihrem Gehorsam noch einen andern Beweggrund, den alten Herrn auf seinen Jagden zu begleiten; denn vermittelst ihrer Gegenwart hoffte sie seine Heftigkeit in etwas zurückzuhalten und ihn zu verhindern, daß er sich nicht so oft der äußersten Gefahr des Halsbrechens aussetzte.
    Das Widrigste für sie dabei war das, was ehedem das Anlockendste gewesen sein würde; nämlich, die öftere Gelegenheit mit Jones zusammenzutreffen, den sie zu meiden beschlossen hatte; gleichwohl, da das Ende der Jagdzeit herannahte, so hoffte sie, durch eine kurze Abwesenheit bei ihrer Tante sich aus ihrer unglücklichen Leidenschaft völlig heraus zu vernünfteln, und zweifelte nicht, sie würde sich, wenn die Jagd das nächste Jahr wieder aufginge, im stande sehen, ihm ohne alle Gefahr im freien Felde begegnen zu können.
    Am zweiten Tage ihres Jagens, als sie vom Zuge heimritt und bis auf eine kleine Entfernung von ihres Vaters Hause angelangt war, fing ihr Klepper, dessen Kraft und Mut einen bessern Reiter erfordert hätte, so zu kurbettieren und zu kapriolieren an, daß sie in höchster Gefahr stand, abgeworfen zu werden. Tom Jones, der in einiger Entfernung hinter ihr folgte, sah dies und galoppierte stracks hin, ihr beizustehn. Sobald er bei ihr war, sprang er von seinem Pferde und griff dem ihrigen in den Zügel. Das unbändige Tier bäumte sich in die Höhe und warf seine schöne Bürde vom Rücken, die Jones in seine Arme auffing.
    Sie war so heftig erschrocken, daß sie nicht sogleich im stande war, dem Jones Bescheid zu geben, welcher sich sehr ängstlich erkundigte, ob sie auch Schaden genommen hätte. Sie faßte sich indessen bald wieder, versicherte ihm, ihr sei ganz wohl, und dankte ihm für die Sorgfalt, die er für sie getragen hätte. Jones antwortete: »Wenn ich Sie gerettet habe, gnädiges Fräulein, so bin ich reichlich belohnt; denn ich versichre Ihnen, ich hätte Sie aus der kleinsten Gefahr retten wollen, und hätte mir's ein weit größeres Unglück für mich selbst kosten sollen, als ich bei dieser Gelegenheit erlitten habe.«
    »Was für ein Unglück!« fragte Sophie sehr lebhaft; »ich hoffe doch nicht, daß Sie Schaden genommen haben!«
    »Sei'n Sie

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