Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
außer Sorgen, Fräulein,« antwortete Jones. »Dem Himmel sei Dank, daß Sie so gut davongekommen sind, nach der Gefahr, worin Sie schwebten. Daß ich meinen Arm gebrochen habe, ist eine Kleinigkeit in Vergleichung mit dem, was ich für Sie befürchtete.«
    [169] Hier schrie Sophie laut auf: »Ihren Arm gebrochen? das wolle Gott nicht!«
    »Ich denke doch, es ist so, mein Fräulein,« sagte Jones; »aber ich bitte, erlauben Sie mir nur, daß ich erst für Sie sorge. Ich habe eine rechte Hand zu Ihren Diensten, um Ihnen aufs nächste Feld zu helfen; von da haben wir nur noch einen ganz kleinen Weg bis zu Ihres Vaters Hause.«
    Sophie, die seinen linken Arm schlaff an seiner Seite hängen sah, derweil er sich des andern bediente, um sie zu führen, zweifelte nicht länger an der Wahrheit. Sie ward nun viel bleicher, als die Furcht für ihre eigene Person sie vorher hatte färben können. Es überfiel sie ein solches Zittern an allen Gliedern, daß Jones sie kaum aufrecht erhalten konnte; und weil ihre Gedanken in ebenso heftiger Bewegung waren, so konnte sie sich nicht enthalten, dem Tom einen Blick so voll Zärtlichkeit zu geben, daß man daraus fast ein weit stärkeres Gefühl abnehmen sollte, als selbst Dankbarkeit, vereint mit Mitleiden, ohne Beihilfe einer dritten und mächtigern Leidenschaft, in der edelsten weiblichen Brust erwecken kann.
    Herr Western, der eine Strecke vorausgeritten war, als sich dieser Zufall begab, war nun wieder umgekehrt, wie die übrigen Reiter alle. Sophie berichtete ihnen, was dem Tom begegnet, und bat sie, für ihn Sorge zu tragen. Western, den eine große Angst überfallen hatte, als er seiner Tochter Pferd ohne dessen Reiter vor sich vorbeisprengen gesehn und den nun die Freude überwältigte, daß er sie unbeschädigt wieder fand, rief jetzt aus: »Gut, gut, daß 's nicht ärger ist! Wenn Tom sein'n Arm abgebrochen hat, wollen wir schon einen Mann finden, der'n wieder anleimt.«
    Der Junker stieg vom Pferde und machte sich zu Fuß auf den Weg nach Hause mit seiner Tochter und mit Jones. Ein unbefangener Zuschauer, der ihnen auf dem Wege begegnet wäre und ihre verschiedenen Gesichtsmienen beobachtet hätte, würde geschlossen haben, Sophie allein sei der Gegenstand des Bedaurens: denn, was den Jones anbelangte, dem hüpfte das Herz vor Freuden, daß er wahrscheinlicherweise dem Fräulein das Leben erhalten und daß ihm solches nichts weiter gekostet hatte als einen Armbruch. Und Junker Western, obwohl ihm der Unfall, der dem Jones zugestoßen, nicht gleichgültig war, so hatte doch bei ihm die Freude über seine aller Gefahr entronnene Tochter ein großes Uebergewicht.
    Sophiens großmütige Denkart legte dem Tom Jones dies sein Betragen als hohe Tapferkeit aus, und es machte einen tiefen Eindruck auf ihr Herz: denn gewiß ist es, daß es keine andre [170] Eigenschaft gibt, welche den Männern so durchgängig die Achtung des schönen Geschlechts erwirbt, und das liegt, wenn wir der gemeinen Meinung trauen dürfen, in der natürlichen Furchtsamkeit dieses Geschlechts, welche, wie Osborne sagt, so weit geht, daß ein Frauenzimmer das feigste unter allen Geschöpfen ist, die Gott jemals auf die Welt gesetzt hat. Ein Ausspruch, der mehr wegen des platten Ausdrucks als wegen seiner Wahrheit merkwürdig ist. Aristoteles läßt ihnen, glaub' ich, in seinen Abhandlungen über die Politik mehr Gerechtigkeit widerfahren, wenn er sagt: »Die Bescheidenheit und Seelenstärke des Mannes ist weit unterschieden von eben diesen Tugenden bei dem Weibe; denn eben der Mut, welcher ein Weib ziert, wäre für einen Mann nur Feigheit, und die Bescheidenheit, welche dem Manne wohl ansteht, würde bei einem Weibe Frechheit sein.« Vielleicht steckt auch nicht mehr Wahrheit in der Meinung derer, welche die Parteilichkeit, womit die Weiber den tapfern Männern anzuhängen pflegen, aus diesem Uebermaße ihrer Furchtsamkeit herleiten. Bayle (ich glaube im Artikel Helena) schreibt es, und zwar mit großer Wahrscheinlichkeit, ihrer heftigen Liebe zum Heldenruhme zu. Eine Wahrheit, wofür wir die Autorität eines Dichters haben, der vor allen übrigen die tiefsten Blicke in die menschliche Natur gethan hat und welcher die Heldin der Odyssee das große Muster ehelicher Liebe und Treue so vorstellt, daß der Ruhm ihres Gemahls der einzige Quell ihrer Liebe für ihn gewesen sei.
    Wie dem aber auch sei, so ist gewiß, daß die Begebenheit sehr stark auf Sophie wirkte; und in der That, nachdem ich mich nach der Sache

Weitere Kostenlose Bücher