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Tom Sawyers Abenteuer und Streiche

Titel: Tom Sawyers Abenteuer und Streiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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Zeit und Ort, sowie das feierliche, tiefe Schweigen versetzte sie in gedrückte Stimmung. Bald fanden sie den frisch aufgeworfenen Haufen, den sie suchten und verschanzten sich in dem Schutze von drei großen Ulmen, die in einer dichten Gruppe, wenige Fuß vom Grabe entfernt, wuchsen.
    Dort warteten sie schweigend eine Zeitlang, die ihnen eine Ewigkeit schien. Das Geschrei einer fernen Eule war alles, was die Totenstille unterbrach. Toms Gedanken wurden niederdrückend, er mußte ein Gespräch erzwingen um jeden Preis. So flüsterte er denn:
    »Huckchen, meinst du, daß die toten Leute da drunten etwas dagegen haben, daß wir hier sind?«
    Worauf Huckleberry zurückflüsterte:
    »Möcht's selber wissen. Aber gelt, 's ist furchtbar feierlich, nicht?«
    »Weiß Gott, das ist's – uff!«
    Lange Pause, während die Jungen noch einmal innerlich der Sache nachgrübelten. Wieder wisperte Tom:
    »Du, Huckchen, glaubst du, daß der alte Williams uns hören kann?«
    »Natürlich kann er, wenigstens sein Geist.«
    Tom, nach einer Pause:
    »Hätt' ich doch  Herr  Williams gesagt! Ich hab's aber nicht bös gemeint. Jedermann nennt ihn doch den alten Williams.«
    »Ja, man kann nicht vorsichtig genug sein in dem, was man über die Leute da drunten sagt, Tom.«
    Dies war ein warnender Dämpfer und das Gespräch erstarb von neuem. Plötzlich ergriff Tom den Arm seines Kameraden:
    »Scht!«
    »Was gibt's, Tom?« Und die zwei umklammerten sich gegenseitig, atemlos, wild pochenden Herzens.
    »Scht! Da ist's wieder. Hast du denn nichts gehört?«
    »Ich –«
    »Da, noch einmal! Jetzt mußt du's doch hören!«
    »Herr Gott, Tom, da kommen sie! Gewiß und wahrhaftig, da kommen die Teufel! Was sollen wir anfangen?«
    »Ich weiß nicht. Ob sie uns sehen?«
    »O, Tom, Tom, die sehen im Dunkeln, grad wie die Katzen. Ach, wär ich doch nicht hierher gegangen.«
    »Na, alter Waschlappen, fürcht dich doch nicht so! Ich glaub nicht, daß die sich viel um uns kümmern. Wir tun ja niemand nichts Böses. Wenn wir uns ganz mucksmäuschenstill verhalten, merken sie vielleicht gar nicht, daß wir da sind.«
    »Ich will mich ja nicht fürchten, Tom, aber ich – ich – ach Gott, ich klapper nur so in meiner Haut.«
    »Horch doch!«
    Die Jungen steckten die Köpfe zusammen und atmeten kaum. Ein unterdrücktes Geräusch wie von Stimmen ertönte vom anderen Ende des Friedhofes.
    »Sieh, sieh dort!« hauchte Tom. »Was ist das?«
    »'s ist Hexenfeuer. Ach, Tom, das ist grausig.«
    Einige undeutlich nebelhafte Gestalten näherten sich in dem Dunkel. Sie schwangen eine altmodische Blechlaterne, die den Boden mit unzähligen kleinen Lichtfleckchen besäte. Alsbald flüstert Huck schaudernd:
    »Da, das sind die Teufel, gewiß und wahrhaftig! Und gleich drei auf einmal! Herr Gott, Tom, wir sind hin! Kannst du beten?«
    »Ich will's mal probieren. Aber fürcht du dich doch nicht so, die tun uns sicher nichts. Wart, ich bet! ›Müde bin ich, geh zur Ruh, schließ die beiden Augen zu, Vater laß –‹«
    »Scht!«
    »Was gibt's, Huck?«
    »'s sind Menschen! Einer davon mal gewiß! Die eine Stimme kenn ich, die gehört dem alten Muff Potter.«
    »Nee, wahrhaftig?«
    »Na, ich wett mein Seel. Rühr du dich aber nicht, der merkt nichts von uns. Ist natürlich wieder voll, wie gewöhnlich – verflixter alter Saufaus!«
    »Schon gut, ich muckse mich nicht. Da, sie bleiben stehen, können's nicht finden. Jetzt geht's wieder vorwärts, – es wird heiß [Anm. Dem Leser ist wohl das Spiel »kalt oder warm« bekannt. Der Übers." ] – kalt – ganz kalt – jetzt lau – da warm – puh, nun wird's aber heiß – heißer, glühend! Scht – da sind sie! Huck, ich kenn noch einen, 's ist der Indianer-Joe.«
    »Der mörderische Lump! Teufel wären mir fast lieber! Auf was die wohl aus sind?«
    Letztere Worte waren bloß noch gehaucht, denn die drei Männer hatten nun das Grab erreicht und standen kaum ein paar Fuß von dem Versteck der Jungen entfernt.
    »Hier ist's!« sagte die dritte Stimme; der, welcher gesprochen hatte, hielt die Laterne in die Höhe und zeigte im Strahl des Lichtes das Antlitz des jungen Doktors Robinson.
    Potter und der Indianer-Joe schleppten eine Trage mit einem Seil und ein paar Schaufeln drauf. Sie setzten ihre Last nieder und begannen das Grab zu öffnen. Der Doktor stellte die Laterne zu Häupten desselben, ging und setzte sich, mit dem Rücken gegen einen der Ulmenbäume gelehnt. Er war so dicht bei den Jungen, daß diese ihn hätten

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