Tom Sawyers Abenteuer und Streiche
Wer will eins geben?«
»Meine Mama will mir erlauben, eins zu halten.«
»Das ist ja prächtig, – hoffentlich darf ich auch kommen?«
»Natürlich. Es ist ja mein Picknick. Es darf jeder kommen, den ich haben will, und dich will ich.«
»Nein wie reizend! Wann soll's denn sein?«
»Bald. Vielleicht noch vor den Ferien.«
»Wird das lustig werden! Wirst du alle einladen?«
»Gewiß, alle, die meine Freunde sind – oder sein wollen. Ein verstohlener Blick traf Tom; der aber schwatzte mit Anny Lorenz vom Sturm auf der Insel und wie der Blitz die große Sykomore gefällt und in Splitter gerissen hatte, »keine drei Schritte von ihm entfernt.«
»Darf ich auch kommen?« fragte Grace Miller.
»Ja.«
»Und ich?« fragte Sally Rogers.
»Gewiß!«
»Ich auch?« fiel Susanne Harper ein, »und mein Joe auch?«
»Natürlich.«
Und mit Jubel und Händeklatschen hatte jedes in der Gruppe um Erlaubnis gefragt, bis auf Tom und Anny. Immer weiter plaudernd wandte er sich kühl ab und nahm Anny mit sich. Beckys Lippen zitterten, Tränen traten in ihre Augen. Mühsam barg sie diese Zeichen des Herzeleids unter erzwungener Lebhaftigkeit, fuhr fort zu plappern und zu lachen, aber das Picknick hatte jetzt jeden Reiz für sie verloren und alles übrige dazu. Sobald sie konnte, schlich sie davon, versteckte sich und weinte sich einmal ordentlich aus. Dann saß sie mürrisch und tiefgekränkt da, bis die Schulglocke läutete. Das rüttelte sie auf und mit rachedurstigem Blick sprang sie empor, schüttelte die langen Zöpfe zurecht und war jetzt mit sich darüber im reinen, was sie zu tun habe.
In der Pause setzte Tom sein Scharmutzieren mit Anny fort, voll jubelnder Selbstzufriedenheit. Er versuchte sich dabei stets in Beckys Nähe zu halten, um sie mit dem Anblick zu foltern. Erst fand er sie nicht; endlich erspähte er sie und siehe da – sein Thermometer sank, sank bis ins Bodenlose hinein. Da saß sie ganz behaglich auf einem Bänkchen hinter dem Schulhause, saß und schaute mit Alfred Tempel zusammen in ein Bilderbuch. Und so versunken waren die beiden und so dicht hatten sie die Köpfe über dem Buch zusammengesteckt, daß sie nichts zu bemerken schienen von dem, was um sie her vorging in der weiten Welt. Eifersucht rieselte glühend heiß durch Toms Adern. Er haßte sich selber, daß er die Gelegenheit verpaßt, die Becky ihm geboten, um wieder gut Freund zu werden. Er nannte sich einen Narren, einen Dummkopf und was dergleichen liebenswürdige Titel mehr sind. Beinahe hatte er geweint vor Ärger. Anny schnatterte inzwischen lustig weiter, denn ihr Herz frohlockte und jubilierte, während Toms Zunge ihm beinahe den Dienst versagte. Kaum hörte er, was Anny plauderte, und jedesmal, wenn sie, seine Antwort erwartend, innehielt, brachte er nur ein zerstreutes »ja« oder »nein« heraus und zwar meist am verkehrten Platze, Immer wieder lenkte er seine Schritte nach der Hinterseite des Schulhauses, als würden seine Augen von dem verhaßten Schauspiel angezogen. Gegen seinen Willen zog es ihn hin, und es machte ihn beinahe toll, daß Becky Thatcher anscheinend nicht im entferntesten dran dachte, daß er auch noch unter den Lebenden weile. Sie aber sah ihn recht wohl, wußte, daß sie Siegerin blieb im Kampfe, freute sich, daß er litt und zwar schlimmer, als sie zuvor hatte leiden müssen. Annys ahnungsloses, fröhliches Geplauder wurde unerträglich. Tom deutete an, daß er etwas zu tun habe und fort müsse, daß die Zeit verrinne – umsonst, das Mädel schwatzte weiter. Tom dachte: »Hol sie der Kuckuck; soll ich sie denn heut gar nicht wieder los werden?« Zuletzt, als es ihn nicht länger hielt, gab ihm die arglose Seele das Versprechen, nach der Schule auf ihn zu warten. Er eilte ganz wütend davon.
»Jeder andere Junge,« dachte Tom zähneknirschend, »jeder andere Junge in der ganzen Stadt, nur nicht der . So 'n geschniegelter Aff', der sich für Gott weiß was hält, und meint, er sei viel besser als unsereiner. Na, gut! Hab' ich dich am ersten Tag durchgedroschen, als du kaum in die Stadt hereingerochen hattest, du Tugendspiegel, werd ich's auch jetzt noch fertigbringen. Wart, wenn ich dich mal alleine erwisch, dann setzt's was!«
Im Eifer hieb er um sich, als ob er den Feind jetzt schon unter den Fäusten hätte, – fuchtelte in der Luft umher und schlug mit Händen und Füßen aus.
»Na, bist du nun zufrieden, Kerl, he? Schrei ›genug‹, ›genug‹, sag ich dir! Da lauf und das nächstemal
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