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Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Titel: Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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leicht vor.
    Ich weiß nicht, was ich anhabe oder was für ein Wetter ist. Das scheint alles nicht wichtig zu sein. Ich nehme an, der Wind fährt mir durch die Haare, aber, ehrlich gesagt, merke ich es gar nicht. Was ich merke, ist der Wind, der in meinen offenen Mund bläst und meine Lungen aufbläht. Ich merke, wie meine Lungen die Luft wieder durch meinen Mund hinausstoßen.
    Ich renne.
    Ich merke, wie mich meine Beine fortbewegen und meine Arme rudern, und ich merke, dass die Muskeln in meinem Mund Überstunden machen. Jeder einzelne wunderbare Muskel. Jeder Muskel arbeitet im Einklang mit den anderen, stimmt sich perfekt mit seinen Nachbarn ab. Sie zwingen meine Lippen, sich zu öffnen, heben meine Mundwinkel an, drücken meine Zunge leicht gegen meine Vorderzähne. Ich lächle.
    Ich renne weg.

Vierundzwanzig
    Es war eine niedrige grüne Tür ohne Fenster.
    Leicht zu übersehen zwischen dem Gemüseladen und dem Schuhgeschäft in einer kleinen Straße hinter der viel befahrenen Brixton Road. Thorne konnte den Volvo nirgendwo entdecken. Vielleicht gab es einen anderen Eingang. Das würde Sinn machen – einen Hintereingang, durch den unbemerkt Frauen hineingebracht werden konnten.
    Ja, und vielleicht hatte er mit der ganzen Sache auch Unrecht. Vielleicht war es nur Zufall gewesen, dass sie in dieselbe Richtung gefahren waren, in der diese Wohnung lag, und Bishop war dabei, Anne an einen Ort zu bringen, wo er sie nie finden würde. Thorne stand im Regen und starrte auf die niedrige, fensterlose Tür.
    Geschah all dies nur, um ihm wehzutun?
    Thorne legte sein Ohr an die Tür und lauschte. Nichts.
    Mit Sicherheit hatte Bishop bemerkt, dass er ihm gefolgt war. Thorne hatte fast erwartet, dass die Tür offen stand. Ein Spalt von fünfzehn Zentimetern, der ihn nach innen lockte. Keine Falle, nichts derart Gewöhnliches.
    Eher eine Einladung.
    Er drückte seine Hand gegen die Tür. Sie war verschlossen.
    Er würde wohl auf Holland warten müssen, bis der mit der Verstärkung anrückte. Es würde nicht lange dauern, vorausgesetzt, diese Idioten von der Verkehrsstreife hatten getan, was er ihnen aufgetragen hatte. Ins Auto zu steigen und abzuwarten wäre das Beste.
    Wieder legte er sein Ohr an die Tür, drückte diesmal aber auch mit der Schulter dagegen. Nicht mit Gewalt, nur ein anhaltender Druck mit seinem Gewicht.
    Die Tür gab so leicht nach, als hätte er einen Schlüssel ins Schloss gesteckt. Es war kaum ein Geräusch zu hören.
    Vor sich erkannte Thorne im Licht des gegenüberliegenden Geschäfts einen geraden Flur, der zu einer Treppe und von dort aus ins Dunkel führte. Es sah aus, als ob alle Räume oberhalb des Gemüseladens liegen würden.
    Er huschte hinein und versuchte, die Tür hinter sich zu schließen. Das Schloss schnappte nicht ein, nachdem er es aufgedrückt hatte, sodass er die Tür nur anlehnte. Dann wandte er sich nach innen und lauschte.
    Nichts außer dem Geräusch seines eigenen Atems, von draußen der Regen und das Rauschen des Verkehrs von der Hauptstraße. Er tastete nach dem Lichtschalter und fand den Knopf einer dieser Sparvorrichtungen, die von allein wieder ausgingen. Er ging die Treppe hinauf.
    Das Treppenhaus war verwahrlost. Auf den Stufen lagen Werbesendungen und ungeöffnete Briefe. Er roch Schnellimbiss-Essen, vielleicht chinesisch.
    Oben am Treppenabsatz war die Küche. Er fand den Lichtschalter genau in dem Moment, als das Licht ausging.
    Die Küche war eng und dreckig. Der braune Vinylboden war rissig, die Wände waren schmuddelig und feucht. Alte Teebeutel im Spülbecken sahen aus wie Scheißehaufen, ein Ketchupfleck lief seitlich an dem einst weißen Mülleimer mit Kippdeckel hinunter. Sachen vom Schnellimbiss waren wohl dem vorzuziehen, was hier gekocht wurde.
    Thorne ging rückwärts wieder hinaus. Weitere sechs Stufen führten hinauf in den zweiten Stock. Er blieb stehen und lauschte. Er erkannte eine Tür vor sich, zwei weitere waren links von ihm. Seine Zweifel, die er draußen vor der Eingangstür gehabt hatte, waren der kalten, klammen Gewissheit gewichen, dass er hier nicht allein war.
    Es ging seinem Ende zu. Er spürte es. Irgendwo in diesem Gebäude befand sich die Wand, an der er schützend Halt suchen würde.
    Thorne ging weiter. Er wusste, dass er näher an den Ort kam, an dem Helen Doyle und Leonie Holden umgebracht worden waren. Die Wände des Flurs waren nackt und staubig, die Tapete, trocken wie tote Blätter, löste sich an manchen Stellen. Der Teppich war

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