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Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Titel: Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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ziehen. Bei den anderen hatte sich dieses Wort in seinem Kopf erst breit gemacht, als er sah, wie das Licht in ihren Augen erloschen war.
    Er nahm seine Brille heraus. Während er die Gläser putzte, konzentrierte er sich auf die bevorstehende Aufgabe, eine neue Patientin vorzubereiten. Leider würde er etwas Gewalt anwenden müssen, wie bei Thorne, doch sobald er die Vene gefunden hatte, würde es schnell vorüber sein. Dann müsste er sie nur ein paar Minuten ruhig halten. Sobald die Wirkung des Midazolams einsetzte, würde sie sowieso nicht mehr schreien können, sodass er keine großen Probleme haben würde.
    Er fuhr los und dachte darüber nach, was er nach getaner Arbeit machen würde. Es gab so viele Möglichkeiten, wie die Sache ausgehen könnte, aber er fragte sich, wie er auf das zurückblicken würde, was er gerade tat. Wozu er gezwungen war. Es würde seltsam sein, neu anzufangen, doch an bestimmte Dinge würde er sich voller Liebe erinnern. Alison würde immer da sein, ebenso wie alle anderen, zu deren Erfolg ihm die Zeit die Möglichkeit geben würde. Daran könnte er sich ergötzen. Und er würde sich auf jeden Fall an die Symmetrie einer Bestrafung erinnern, die gerecht bemessen sein würde. So eine passende Bestrafung. Er grinste und summte seine Melodie. Sicher würde es jemanden geben, der wünschte, man hätte ihn nie zu Gilbert and Sullivan geschleppt …
    Er lenkte den Volvo in Richtung West End und lehnte sich weit zurück. Er fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr.
    Mit seiner Fähigkeit und seiner Wut hatte er so viel erreicht.
     

 
    Wie ich schon sagte, manche Tage sind besser als andere …
    Dies ist der erste Witz, den ich Anne erzählen werde:
    Eine echt heiße und geile Kartoffel geht abends von der Disko nach Hause. Mit ihren besten Freunden, dem Pastinak und der Renn-Bohne, hatte sie einen tollen Abend verbracht. Doch dann wird sie von einer wahnsinnigen Karotte angegriffen. Die Karotte tut ihr alle möglichen grässlichen Dinge an, und die Kartoffel landet im Krankenhaus. Die Haut war ihr abgezogen und sie war zerstampft worden. Jetzt liegt sie einfach nur so da, und das Einzige, was unverletzt blieb, sind ihre Augen. Die Augen dieser Kartoffel. Am nächsten Tag kommt der Freund dieser Kartoffel ins Krankenhaus, eine große, gut aussehende Kohlrübe, und spricht mit den Ärzten. »Wie stehen ihre Chancen, Doktor?«, fragt der Freund mit Tränen in den Augen. Der Arzt schaut auf die arme, traurige Kartoffel hinunter, die im Bett liegt, und sagt zu ihm: »Es tut mir Leid … aber sie wird den Rest ihres Lebens als totes Gemüse verbringen müssen.«

Dreizehn
    Brigstocke vermutete, dass es ein Kater war. »Schlafen Sie ihn aus« war nicht gerade die traditionelle Antwort, die man jemandem gab, der sich telefonisch krank meldete, aber Thorne konnte deswegen schlecht einen Streit vom Zaun brechen. Brigstocke hatte schon vorher mit ihm gearbeitet, und die Vermutung, es handle sich um einen Kater, lag nahe. Es würde allerdings nicht allzu lange dauern, bis bei ihm die Sicherung durchbrennen und er die Sache nach oben melden würde. Thorne wusste, dass er nicht viel Zeit hatte. Er glaubte nicht, dass er viel brauchte.
    Ein Blick auf das gute Wetter hatte die Entscheidung gebracht. Er wollte die oberirdisch fahrende Thameslink-Bahn von Kentish Town nach Tulse Hill nehmen. Es war der direkte Weg und eine angenehme Alternative zur Fahrt mit dem Auto oder mit der voll gestopften U-Bahn. Etwas Reizvolles hatte er in der U-Bahn ohnehin nie gesehen. Für ihn bedeutete sie unvermeidlich die Northern Line – interessanterweise die Linie, auf der die meisten Menschen vor den fahrenden Zug sprangen.
    Thorne hatte sich schon vor langer Zeit entschlossen, dass er die Sache mit einer Hand voll Tabletten und einer Flasche Rotwein auf dem Bett liegend und mit Hank Williams im Hintergrund durchziehen würde, sollte er jemals den Wunsch verspüren abzutreten.
    Wobei gesagt werden muss, dass eine Pistole im Mund bei manch einem ganz gut aussieht.
    Er blickte aus dem Fenster, als der Zug über die Blackfriars-Brücke rollte. Südlich der Themse war die Welt ganz anders: Im Südwesten lebte eindeutig die Oberschicht, in Clapham, Richmond und natürlich in Battersea. Im Südosten Londons gab es nette Viertel – Thorne gefielen besonders Greenwich und Blackheath –, aber im Großen und Ganzen war diese Gegend schon mit einem Kriegsgebiet vergleichbar. In South-East London brauchte man keine Polizei,

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