Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
Parton und so weiter? Geht er auch zum Squaredance?«
Holland lachte. »Ganz so simpel ist es nicht. Er hat auch eine Menge Techno und Garage gehört, aber ich denke, das war nur eine Phase.« Er blinzelte langsam, als er an den beinahe hypnotisierenden Krach dachte. Und an den Fall, den man damit wenigstens ein bisschen hatte ausblenden können.
McEvoy wirkte enttäuscht. »Schade. Einen Augenblick lang glaubte ich, er wäre interessant …«
»Ach, er ist … interessant.«
Davon war Holland überzeugt, wenn er denn überhaupt, was Thorne betraf, von etwas überzeugt war. Wenn interessant gleichzusetzen war mit unkalkulierbar und stur. Mit der Weigerung, sich einzugestehen, dass man sich vielleicht irrte. Mit Entschlossenheit und Rachsucht und einem Gespür dafür, was richtig und was falsch war, ohne sich um die bescheuerten Regeln zu scheren. Sowie mit einer Nulltoleranz gegenüber Idioten. Und der Art von Leidenschaft, die unweigerlich dafür sorgte, dass etwas passierte. Eine Leidenschaft, für die Dave Holland, was immer andere von ihm erwarten mochten, getötet hätte, um einen winzigen Funken davon zu besitzen …
Er dachte an seinen Vater. Der mit sechzig Jahren als Polizeisergeant gestorben war. Der immer seine Arbeit gemacht hatte und nicht mehr.
McEvoy zuckte mit den Achseln, und ihre Augen wanderten zurück zum Monitor. Zurück zu dem EDV-Katalog von Leiden und Tod, der innen beiden zu ein paar Antworten verhelfen sollte.
Holland hatte London, relativ betrachtet, für keine so gewalttätige Stadt gehalten und geglaubt, ihre Suche könne nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen.
In beiden Punkten hatte er sich geirrt.
Nach am selben Tag begangenen Morden zu suchen hatte nach einer klaren Aufgabe geklungen, doch Thorne war nicht der Typ für halbe Sachen. Sowohl der Zeitrahmen wie die Suchkriterien wurden ständig erweitert. Anfangs hatten McEvoy und Holland nach Strangulierungen gesucht und von da ausgehend ihren Suchradius erweitert. Überfälle durften sie nicht ausschließen, denn sie könnten vom selben Täter begangen worden sein, der mittlerweile zum Mörder gereift war. Selbst bei Weglassung von häuslichen Streitigkeiten und bandenkriegsähnlichen Überfällen war eine Menge zu tun. Der Zeitaufwand war beträchtlich, wollte man alles gründlich überprüfen und dabei auch weit in die Vergangenheit zurückgehen, um ein Muster zu finden – falls es tatsächlich eines geben sollte.
Holland sah hinauf zur Uhr. Noch zwanzig Minuten, und die Nacht war gelaufen. Er versuchte, sich Thorne mit einem Stetson und Cowboystiefeln vorzustellen, was ihm jedoch nicht richtig gelingen wollte.
Thorne war zu gefährlich, um als Witzfigur herzuhalten.
Johnny Cashs Musik eignete sich wunderbar, um Autopsieberichte zu lesen.
Schließlich hatte dieser Mann ein berühmtes Lied darüber gesungen, jemanden zu erschießen, nur um ihm beim Sterben zuzusehen. Ob das nun bloßes Gerede war oder ein schlimmer Fall von Langeweile, er sang, als ob er eine Menge vom Tod verstünde. Während er die Worte las, die Phil Hendricks gewählt hatte, um Carol Garners Tod zu beschreiben, fragte sich Thorne, wie viel er wirklich wusste. Jetzt sang der Mann mit der Stimme, die klang wie ein langsames Torkeln in Richtung Hölle, über Fleisch und Blut, das nach Fleisch und Blut verlangt. Nicht dass Thorne ihn gebraucht hätte, aber der Beweis lag auf seinem Schoß – der Beweis, dass es Fleisch und Blut manchmal auch danach verlangte, Fleisch und Blut zu zerstören.
Die Leiche des zweiten Opfers, Ruth Murray, war von einem anderen Pathologen untersucht worden. Thorne hatte den ursprünglichen Bericht gesehen, der als Todesursache Strangulation nannte und angab, unter den Fingernägeln des Opfers seien für eine DNS Analyse Gewebeproben entnommen worden. Es war zu früh, sich deshalb große Hoffnungen zu machen. Sicher, es klang viel versprechend, doch er wollte abwarten, was Hendricks dazu sagte, nachdem er eine zweite Autopsie durchgeführt hatte.
Früher hatte Thorne gedacht, erwürgt zu werden sei, was Mord anbetraf, noch eine verhältnismäßig sanfte Option. So entsetzlich, wie mit mehreren Messerstichen niedergestochen oder totgeprügelt zu werden, war es gewiss nicht. Es war mit Sicherheit auch nicht damit zu vergleichen, zu ertrinken oder Bleichmittel zu schlucken.
So hatte er gedacht, bevor er seinen ersten Autopsiebericht über ein Opfer gelesen hatte, das mit bloßen Händen erwürgt worden war. In mancher
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