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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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können sehen, dass die Knochen selbst bereits matschig sind.«
    Thorne traf Pettet zum ersten Mal und konnte nur Vermutungen darüber anstellen, was sich unter der Plastikmaske, die beinahe das ganze Gesicht bedeckte, befand.
    »Das nichtorganische Material ist natürlich besser erhalten.« Während Pettet es katalogisierte, bewegte sich ein Assistent vorsichtig um das Grab, kniete sich gelegentlich hin oder legte sich auf den Bauch, um mit einer langen Zange ein Fragment hochzuheben und in einen Plastikbeutel für Beweismaterial gleiten zu lassen. »Der Stoff des Kleids, das Material der Müllbeutel, was noch von dem Teppich übrig ist, in den sie gewickelt wurde. Das Seil oder die Schnur um den Nacken ist überraschend gut erhalten …«
    Thorne stellte sich Pettet mit einer Stirnglatze und vielleicht mit von hinten herauf frisierten Haaren und sehr schlechter Haut vor. Er wandte sich ab und blickte hinunter in das Grab. Die surrenden Bogenlampen warfen ein hartes, gnadenloses Licht auf den grausigen Inhalt.
    Matschig traf es. Teebraune Knochen, die tief im Schlamm steckten. Ein paar Fetzen von dem blauen Kleid, nicht weiß, dem Himmel sei Dank, und ein verfilzter Teppichklumpen. Das alles schwamm in einer braunen Brühe. Dazwischen ein paar Haarbüschel, die wie Würmer an dem in der Suppe schwebenden Kopf hingen.
    Die weißen, gebleichten Knochen des menschlichen Skeletts existierten nirgends als unter der Haut, wohin sie gehörten, und in der Fantasie von Fernsehdrehbuchschreibern.
    Und hatten nichts mit dem hier gemein. Diesem menschlichen Eintopf.
    Am Fußende des Grabes trat Hendricks zurück, um ein Teammitglied näher heranzulassen, das sich bückte und etwas Langes und Schleimiges aus dem Schlamm zog. Thorne fing seinen Blick auf. Hendricks zwinkerte ihm zu. Er wandte sich wieder an Pettet.
    »Was ist mit DNS?«
    Der Archäologe blähte die Backen. »Das wird nicht so spannend, dass Sie die Luft anhalten müssten.«
    Thorne knurrte – fast ein Lachen. Der Gestank in dem Zelt war überwältigend, und – Masken hin oder her – jeder in der Nähe des Grabes tat genau das – den Atem anhalten. Jeder bis auf Pettet. Dem Archäologen entging die Ironie in seiner Bemerkung. »Die DNS des Opfers, ja, vielleicht. Geben Sie mir etwas Vergleichbares – Haare, Fingernägelschnipsel. Manchmal behalten die Eltern so etwas aus sentimentalen Gründen.«
    Natürlich würden sie die Routine abspulen, die Testmaschinerie anwerfen, aber Thorne wusste, was er sah, war das, was von Karen McMahon noch übrig war. »Besteht eine Chance, dass wir etwas vom Mörder finden?«
    Pettet brachte fast so etwas wie ein Lächeln zustande. »Eine Chance besteht immer. Es besteht die Chance, im Lotto zu gewinnen, oder? Die einzige Möglichkeit wäre das Seil. Vielleicht ist darin etwas von seiner Haut hängen geblieben. Doch inzwischen dürfte jedes Zellgewebe durch das Kreosot zerstört sein.«
    Thorne zog die Augenbrauen hoch.
    Pettet setzte es ihm langsam auseinander. »Kreosot wird verwendet, um die Eisenbahnschwellen wasserfest zu machen. Dasselbe Zeug, das Sie auf Ihren Gartenzaun streichen. Im Lauf der Jahre gelangt es in das Wasser, das durch diese Gräben läuft. Ironischerweise hätte das Kreosot, wäre sie weiter oben begraben worden, wo es trockener ist, als Konservierungsmittel gewirkt, und wir hätten eine Menge mehr vorgefunden.«
    Für Thorne klang die Enttäuschung in Pettets Stimme ausschließlich professionell. Nicht sentimental wie diese albernen Eltern mit ihren Schmuckkästchen voller Haar und Fingernägelschnipsel …
    Thorne sah hinüber zur anderen Zeltseite, wo sich in einer Ecke ein kleiner Stapel schmutziger Steine befand. Pettet fing Thornes Blick auf. »Wenigstens sind noch alle Knochen da. Der Mörder machte sich die Mühe und tat alles, um sicherzugehen, dass die Füchse nicht rankommen.«
    Das Grab war sorgfältig mit Steinen bedeckt gewesen. Steinen, die zu schwer waren, um von hungrigen Schnauzen beiseite geschoben zu werden. Über den Steinen eine Schicht Schlamm, etwa einen halben Meter dick, und darunter die Leiche eines 14-jährigen Mädchens, die, in Müllsäcke gehüllt, unter einem alten Teppich verweste. Sicher vor den Füchsen.
    Sicher vor allem.
    Ein paar Minuten später legte Thorne vor dem Zelt Phil Hendricks die Hand auf die Schulter. »Bilde dir bloß nicht zu viel drauf ein, aber es ist eine Wohltat, mit jemandem über den Tod zu sprechen, der sich nicht so benimmt, als sei er selbst

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