Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
gegen mich verwenden können. Nicht dass sie noch mehr Munition bräuchten. Es war ein einziges Gekicher und Ellbogengestoße und »Die war sicher eine Rakete im Bett« und »War sie laut?« Du kennst die entsprechenden Sprüche. Ich habe mich wie immer darauf beschränkt, rot zu werden und zu lächeln.
Oh mein Gott, Karen, wenn sie nur wüssten.
Manchmal denke ich, vielleicht sollte ich ihnen alles erzählen. Dann wäre Schluss damit, weil jemand zur Polizei ginge. Und ich könnte einfach dasitzen und warten, dass sie mich abholen. Außerdem würden dann womöglich einige von ihnen etwas anders über mich denken. Und sich jemand anderen suchen, über den sie sich lustig machen können. Da würde einigen das Lachen ganz schön vergehen! Ja, das würde mir gefallen, wenn sie einen Schritt zurückträten und ihnen der Schweiß ausbräche.
Es würde mir gefallen, wenn sie Angst vor mir hätten.
Aber ich bin es, der Angst hat, Karen. Du weißt das. So war es immer, stimmt’s? Deshalb kann ich es ihnen nie sagen. Deshalb kann ich mich nur dir anvertrauen.
Deshalb bete ich tagaus, tagein, dass Ruth die Letzte ist.
1984
Sie fingen Bardsley außerhalb des Schultors ab. Er war mit ein paar Kumpels zusammen, doch ein Blick auf Nicklin, auf sein Gesicht, genügte, und sie verzogen sich. Darunter waren einige, die mindestens ein Jahr älter waren als er. Er freute sich ungeheuer, als er sah, wie sie sich verdrückten, die feigen Wichser. Er hatte es schon immer gewusst.
Sie beide stürzten sich sofort auf Bardsley. Palmer stand vor ihm, mit rotem Gesicht und zittrig. Nicklin packte den Riemen seines Turnbeutels, und zusammen zerrten sie ihn ins Gebüsch.
Der Park erstreckte sich entlang des Schulhaupteingangs. Viele Jungen kürzten den Weg zur Schule und zurück ab, indem sie durch diesen Park liefen. Und die Sechstklässler drückten sich gerne mit ihren Altersgenossinnen von der benachbarten Mädchenschule hier herum. Es war kein hübscher Park, eher ein ungepflegter Rasen mit einigen Vogelhäusern und hin und her wandelnden mürrischen Teenagern, die rauchten, knutschten oder Pommes aßen.
Palmer und Nicklin schubsten Bardsley in das Gebüsch, das die Vogelhäuser umgab. Er klammerte sich an das Gitter des nächstgelegenen Käfigs. Dieser beherbergte einen sich mausernden Hirtenstar, einen Vogel, der sich trotz der Anstrengungen der Kinder entschieden weigerte zu fluchen und kein anderes Geräusch von sich gab als einen ohrenbetäubenden Balzpfiff, diesen jedoch alle paar Minuten. Bardsley begann wild um sich zu treten. Palmer hing am Kragen seines Blazers, der bereits zu reißen begann, und wich den um sich schlagenden Doc Martens aus. Nicklin ignorierte den Schmerz in seinen Schienbeinen, trat näher und versetzte Bardsley einen kräftigen Schlag ins Gesicht. Bardsley löste die Hände vom Gitter, um sein Gesicht zu schützen, als ihm das Blut aus der Nase schoss. Lächelnd stieß ihn Nicklin zu Boden, rammte ihm ein Knie auf die Brust und drückte ihn in den Dreck.
Auf ein Kopfnicken Nicklins hin setzte sich Palmer auf Bardsleys Brust und wartete, keuchend und tiefrot.
Bardsley nahm die Hand vom Gesicht und fixierte den Jüngeren. Seine Zähne waren blutverschmiert. »Du bist tot, Palmer.«
Palmers Gesicht wurde noch röter, als er sich nach vorn beugte und mit beiden Händen in Bardsleys fettige, schmutzige blonde Haare griff. »Was hast du über Karen gesagt?«
»Scheiße, wer ist Karen?«
Nicklin stand hinter Bardsleys Kopf, mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt, die Hände in den Taschen und mit einem Fuß auf Bardsleys Kopf. Er stieß mit der Zunge gegen die untere Zahnreihe, öffnete den Mund und ließ langsam einen dicken Faden Spucke auf das blutige Gesicht am Boden tropfen. Bardsley zuckte zusammen und kniff die Augen zu. Als er sie wieder öffnete, starrte er in die Pistole in Nicklins Hand.
Palmer und Bardsley stöhnten gleichzeitig auf. Bardsley aus Entsetzen über den Anblick, der sich ihm bot, und Palmer aus Ekel, als der Schoß des Jungen unter ihm feucht wurde.
»Scheiße … er hat sich in die Hose gemacht!« Palmer sprang auf und deutete auf den dunklen Fleck in Bardsleys grauer Hose, der rasch größer wurde.
Nicklin lachte. »Dann drehen wir ihn halt um.« Palmer schüttelte den Kopf. Nicklin hörte auf zu lachen, als der Hirtenstar hinter ihm laut pfiff. »Du sollst ihn umdrehen, verdammte Scheiße ... «
Nervös trat Palmer einen Schritt vor. Bardsley warf ihm einen finsteren
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