Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
Blick zu, während er sich bemühte, auf die Beine zu kommen. Wobei er sich gleichzeitig mit einer Hand das Blut, die Spucke und den Dreck aus dem Gesicht zu wischen und mit der anderen den Fleck in der Hose zu verdecken versuchte. Mit vor Wut und Scham zitternder Stimme stieß er hervor: »Tot … mausetot …« Doch innerlich hatte er aufgegeben; ohne große Mühe konnte Palmer ihn zu Boden stoßen, sodass er auf dem Bauch zu liegen kam.
Bardsley versuchte wegzurobben, bis Nicklin sich hinunterbeugte und ihm die Pistole in den Nacken stieß. Worauf Bardsley erstarrte und wieder in den Dreck sank.
»Gut, pack ihn an der Seite …« Nicklin bekam Bardsley am Bund zu fassen und zog daran. Er blickte hinüber zu Palmer, der es ihm nach kurzem Zögern gleichtat, und es dauerte nicht lange, bis Bardsleys Hose unten an den Knöcheln war.
»Ich fass es nicht, er hat eine blaue Unterhose an …«
»Stu, das reicht jetzt, ja?«
»Hat sich wie ein Mädchen in die Hose gemacht, ich riech auch noch Scheiße …«
»Stuart …«
Nicklin reichte Palmer die Pistole. »Steck ihm die in den Arsch.«
Diese Worte trafen Bardsley erwartungsgemäß wie ein Stromschlag. Seine Arschbacken zuckten wie verrückt, als er verzweifelt zu fliehen versuchte. Palmer trat einen Schritt zurück, den Blick auf den Boden geheftet, aber Nicklin beugte sich hinunter zu Bardsley und lachte.
»Komm schon, Bardsley, du Saukerl, fick ihn. Fick den Boden, du perverses Schwein … was anderes kriegst du ohnehin nie zu ficken, du Spastiker …«
Palmer drehte und wendete die Pistole in seiner Hand. Nicklin suchte seine Augen, lächelte, bis er sicher war, Palmer beruhigt zu haben. Erst dann machte das Lächeln langsam einem ernsten, betroffenen Ausdruck Platz.
Kopfschüttelnd erklärte er: »Er hat gesagt, was er alles mit Karen machen will, Martin.«
Bardsley versuchte ihnen ein letztes Mal zu versichern, dass er nicht die geringste Ahnung habe, wer diese Karen sei, aber die Worte gingen in seinem Schluchzen unter.
Mit gesenkter Stimme und betont langsam erzählte Nicklin seinem Freund, was er ihm eigentlich nicht hatte sagen wollen, worum er jedoch nicht umhinkam. »Widerliches Zeug, Martin. Er hat gemeine Ausdrücke für sie gebraucht.« Palmers fleischige Faust ballte sich um den Pistolengriff, und er kniete langsam auf Bardsleys Waden nieder. »Hat gesagt, was du alles mit ihr gemacht hättest … dass du sie an den Titten angefasst hättest.« Palmer stieß den Lauf in Bardsleys weiche Hinterbacken und ließ ihn dort. Bardsley wimmerte.
Nicklin flüsterte: »Mach weiter, Martin …«
Palmer sah hinunter auf Bardsleys pickligen Rücken. Nichts wollte er weniger, als einen Blick auf den Jungen neben sich zu erhaschen. Er hatte richtiggehend Angst davor, Angst, die freudige Erregung seines Freundes zu sehen. Er konnte den Schweiß schmecken, der ihm in den Mund rann. Ihm war klar, er sollte die Pistole wegwerfen und durch den Park davonrennen, ohne einen Blick zurückzuwerfen, hinunter über den Rasen und weiter über den Schulhof, bis er zu Hause war …
Nicklin legte ihm die Hand auf die Schulter. Hinter ihm kreischte der Hirtenstar wild auf. Palmer drückte den Abzug.
Bardsley brüllte, als der Luftdruck die kleine Bleikugel tief in sein Fleisch feuerte.
Viertes Kapitel
Die Zugfahrt zurück nach London war eine halbe Stunde kürzer als die Hinfahrt, kam ihnen jedoch viel länger vor. Die ersten zwanzig Minuten hatten Thorne und McEvoy versucht, Konversation zu machen, bis sie es schließlich aufgaben. Thorne griff nach der Zeitung, die er bereits gelesen hatte, und sie trat den Weg ins Raucherabteil an.
Thorne hatte die Augen geschlossen und sich, absolut erfolglos, bemüht einzuschlafen.
McEvoy war, ohne lange herumzufackeln, im Raucherabteil geblieben.
Es war nach sechs, als Thorne wieder in Hendon war. Das Becke House befand sich im Peel Centre, einem riesigen Gebäudekomplex, in dem auch das Metropolitan Police Training College untergebracht war. Hunderte milchgesichtige Polizeischüler, die geschäftig hin und her eilten, lernten, wie man Handschellen anlegt, wie man vorgeht. Lernten also nichts.
Eine BBC-Filmcrew drehte seit einigen Monaten einen Dokumentarfilm über die neuen Polizeischüler. Thorne hatte eines Tages den Regisseur in der Kantine getroffen und sich mit ihm unterhalten. Hatte ihm vorgeschlagen, in ein oder zwei Jahren nachzusehen, was aus seinen Protagonisten geworden war, wie diese Milchgesichter in ihre
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