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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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direkt, ohne große Umschweife. »Kannst du mir sagen, wie der Mann aussah, der deiner Mami wehgetan hat?«
    Es quietschte, als der Hammer den Schuh traf. Und wieder. Dann ein erkennbares Zucken der kleinen Schultern. Dieselbe Geste hatte Thorne schon Hunderte von Malen bei aufsässigen Teenagern gesehen. Voller Angst, aber entschlossen, nicht klein beizugeben.
    Vielleicht weiß ich etwas, aber du kriegst nichts geschenkt.
    »Glaubst du, er war älter als ich?« Charlie blickte kurz auf, bevor er sich wieder seinem Gehämmer zuwandte. »Hatten seine Haare dieselbe Farbe wie deine oder waren sie dunkler? Was denkst du?« Keine Reaktion war zu erkennen. Thorne wusste, dass er dabei war, den Draht zu dem Jungen zu verlieren.
    Als er ein Schniefen hörte, blickte Thorne hoch und sah, wie der alte Mann auf dem Sofa leise in ein Taschentuch schluchzte, wobei sich seine kräftigen Schultern hoben und senkten. Thorne blickte zu dem Jungen und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »War er größer als dein Opa? Ich bin mir sicher, daran kannst du dich erinnern.«
    Charlie hörte auf zu hämmern. Er schüttelte langsam und entschieden den Kopf, ohne ihn zu heben. Thorne warf McEvoy einen Blick zu. Sie zog die Augenbrauen hoch. Sie dachten dasselbe. Falls dieses »Nein« so definitiv war, wie es den Anschein hatte, stand es in offenem Widerspruch zu Margie Knights Beschreibung. Thorne fragte sich, wer von den beiden der glaubwürdigere Zeuge war. Das vorwitzige Mädchen von der Straße oder der Dreijährige?
    Augenzeugen hatten ihn schon öfters aufs Glatteis geführt … Wie auch immer, was Charlie anging, sah es ganz so aus, als würden sie sich mit diesem Kopfschütteln begnügen müssen. Das Gehämmer wurde immer begeisterter.
    »Du kannst gut hämmern, Charlie«, sagte Thorne.
    Mary Enright meldete sich von ihrem Platz auf dem Sofa zu Wort. »Das kommt von Bob der Baumeister. Er ist verrückt danach. So nennt er dich manchmal, stimmt’s, Bob?« Lächelnd wandte sie sich an ihren Mann. Robert Enright sagte nichts.
    McEvoy erhob sich, rieb sich die Beine, die vom Knien ganz steif waren. »Ja, mein Neffe redet die ganze Zeit davon. Er treibt seine Mum und seinen Dad in den Wahnsinn damit, ständig die Titelmelodie zu singen.«
    Mary stand auf und begann aufzuräumen, während Charlie unverdrossen weitermachte. An die Stelle des Hammers war nun ein knalloranger Schraubenzieher getreten. »Das macht mir nichts aus«, sagte Mary. »Es kommt nur so früh. Um halb sieben morgens, auf einem dieser Kabelkanäle.«
    McEvoy holte tief Luft und nickte mitfühlend. Thorne sah hinunter zu dem Jungen und fuhr ihm über die Schulter. »Hey, denk an deine arme alte Oma, ja, Charlie? Halb sieben? Da solltest du noch schlafen.«
    »Meine Mami schläft.«
    Trotz all der Schrecken, die sie noch erwarteten, all der Leichen, der frischen wie der lange Toten, war es dieses Bild, das Thorne noch lange, nachdem dieser Fall abgeschlossen war, vor Augen treten würde.
    Das Gesicht eines Kindes.
     
    Es liegt jetzt eine Woche zurück, Karen, und noch immer berichten sie darüber im Fernsehen. Ich hab aufgehört fernzusehen, um nicht von einem Bericht darüber überrascht zu werden, wenn ich nicht darauf vorbereitet bin. Dass es in den Nachrichten kommt, war mir klar, verstehst du. Als sie sie fanden. Aber ich dachte, das gäbe sich … ich dachte, es würde nach ein oder zwei Tagen wieder aufhören. Ständig scheinen Leute auf die eine oder andere Weise zu Tode zu kommen, daher dachte ich nicht, dass diese Meldung so lange in den Nachrichten bleiben würde.
    Es heißt, sie hätten eine Art Zeugen. Wer immer es war, er muss mich gesehen haben, weil sie wissen, wie groß ich bin. Ich weiß, ich sollte mir Sorgen machen, Karen, aber das tue ich nicht. Ein Teil von mir wünscht sich, man hätte mich aus der Nähe gesehen. Würde mein Gesicht kennen.
    Im Fernsehen nannte ein Polizist es einen »brutalen Mord«. Er sagte, ich sei brutal, und ich hatte mir solche Mühe gegeben, genau das nicht zu sein. Du glaubst mir, nicht wahr, Karen? Ich habe sie nicht geschlagen oder so was. Ich versuchte es schnell und schmerzlos über die Bühne zu bringen. Allerdings habe ich nicht erwartet, dass sie etwas anderes sagen. Warum sollten sie? Sie kennen mich nicht …
    Die andere Sache, die in Südlondon, ich darf gar nicht daran denken. Das war grauenvoll. Ja, das war brutal.
    Die Kratzspuren verblassen, aber ein paar Leute im Büro haben sie bemerkt. Noch etwas, das sie

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