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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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gebracht hätten, auf die Kerle machen würden. Weshalb sie großen Wert darauf legte, dass es bei dem Wunsch blieb, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Sie war nicht frigide, also gab es nur eine Option, nicht wahr? Für ein kleines Hirn war der Schritt von »sexuell aktiv« zu »sexuell aktiv mit einem Vorgesetzten« nicht groß. Noch immer glaubten genug Leute, eine Frau könne nur aufsteigen, wenn sie die Beine breit machte.
    Genau. Die Beine breit machte und an die gläserne Decke starrte …
    Es ging niemanden etwas an, und sie wollte es so. Ein fester Freund war theoretisch wunderbar und angenehm bei Partys, aber nach ihrer Erfahrung war eine geregelte Beziehung noch lange nicht mit einem geregelten Sexualleben gleichzusetzen. Sie brauchte dieses Gefühl, begehrt zu werden, und wenn das gelegentlich hieß, benutzt zu werden, ging das auch in Ordnung. Schließlich galt es für beide Seiten.
    Die ganze Zeit, die sie damit verbrachte, das Fernsehprogramm zu studieren und darüber nachzudenken, was sie essen könnte, war ihr absolut klar, dass sie am Ende ausgehen würde. Auf der Heimfahrt im Zug war das der beherrschende Gedanke gewesen. Als sie ihr Spiegelbild im nachtschwarzen Abteilfenster anstarrte, die Zigaretten bis zum Filter rauchte und sich wünschte, die Stunden würden schneller vergehen. Sie könnte hinlaufen. Es waren nur fünfzehn Minuten. Immer am Gleis entlang, von Wembley Park bis nach Harlesden.
    Allerdings musste sie sich vorher umziehen. Die Leute, die sie treffen wollte, konnten sich höchstwahrscheinlich ebenso wenig wie die im Zug vorstellen, womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente, doch sie wollte kein Risiko eingehen.
     
    Im Schein einer Schreibtischlampe saß Thorne und versuchte, sich auf den Tod zu konzentrieren, wobei ihm jedoch ständig ein Bild in die Quere kam, das voller Leben war. Sosehr er sich in den Autopsiebericht von Ruth Murray zu versenken trachtete, es gelang ihm nicht, das lebhafte Mienenspiel Charlie Garners aus seinen Gedanken zu verbannen: Hinter der Bahre tauchte Charlies Gesicht auf oder es lugte hinter der Tür zur Leichenhalle hervor.
    Endlich war er dahinter gekommen, was ihn so gestört hatte, als Charlie vor wenigen Stunden in jenem Wohnzimmer zu ihm aufgeblickt hatte. Gesehen hatte er es sofort, doch er hatte eine Weile gebraucht, bis er genau verstand , was er da sah, als er in die Augen dieses Kindes blickte. Da, in diesem Gesicht, in diesen strahlenden braunen Untertassen unter den langen Wimpern hatte Thorne Zweifel gesehen.
    »Meine Mami schläft …«
    Ein breites und schönes Lächeln, aber in den Augen war ganz kurz so etwas wie Unsicherheit aufgeflackert. So voller Hoffnung das Lächeln gewesen war, so verräterisch waren die Augen. Sie gaben preis, was Charlie Garner wusste, ohne sich selbst darüber im Klaren zu sein. Wer könnte ihm das zum Vorwurf machen? Für dieses Kind würde nun nie mehr etwas sicher sein. Eine zu harte Lektion, die zu früh kam.
    Und jedes Mal, wenn Thorne dieses Gesicht sah, flackerte der Zweifel stärker auf …
    Als das Telefon auf dem Schreibtisch läutete, zuckte Thorne leicht zusammen. Er hatte, wie er mit einem Blick auf das vor ihm liegende Blatt feststellte, die letzte halbe Stunde auf den Ausdruck blutunterlaufene Bindehaut gestarrt.
    »Detective Inspector Thorne …«
    »Ich bin’s, Phil. Hast du es gelesen?«
    »Ich hab es vor mir liegen. Ich … versinke in Arbeit.«
    »Wie war Birmingham?«
    Thorne atmete aus und lehnte sich zurück. Er hätte früher nach Hause fahren sollen. Selbst wenn alles reibungslos lief, käme er erst um zehn in seine Wohnung in Kentish Town. Dazu noch ein paar Stunden, um abzuschalten, und das hieße, er käme wieder spät ins Bett und wäre am nächsten Morgen vollkommen erledigt. Hendricks dagegen klang entspannt. Thorne konnte ihn sich vorstellen, wie er die Beine auf einem schwarzen Ledermöbel aus den Sechzigern liegen hatte, während ein Skinhead in der Küche für sie beide das Abendessen brutzelte.
    »So übel?«, fragte Hendricks.
    »Wie bitte?«
    »Birmingham? Lass nur, erzähl es mir morgen. Hör mal, es gibt eine gute Nachricht. Verhafte den Kerl, und wir nageln ihn fest. Wir haben eine Menge von Ruth Murrays Haut unter ihren Fingernägeln gefunden, aber auch mehr als ausreichend Gewebe von ihm. Die Analyse sollte morgen früh fertig sein.«
    Die Nachricht war sehr gut. Zumindest würde er nun auf der Heimfahrt besser gelaunt sein. »Also müssen die Tränen gar nicht

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