Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
Tisch auf. Eine Sekunde wich sie Thornes Blick aus. Schlechte Neuigkeiten. »Was gibt’s?«
»Das ist der eigentliche Grund, warum ich Sie sprechen wollte.« McEvoy versuchte sachlich zu bleiben. »Wir können Margie Knight nicht finden.«
»Sie können sie nicht finden?«, brüllte Thorne. Auf der anderen Seite der Tür würden sich nun die Köpfe in ihre Richtung wenden.
»Anscheinend drehte sie durch, nachdem sie mit uns sprach. Vielleicht ist sie im Urlaub …«
Thorne erhob sich und rannte in dem kleinen Büro auf und ab. »Scheiße, Sarah. Wir hätten sie gleich herbringen und das Fahndungsfoto elektronisch erstellen müssen.«
»Sie ist eine Prostituierte. Daher ist es ganz natürlich, dass sie Polizisten nicht gerade schätzt. Die meiste Zeit versuchen wir, sie festzunehmen oder daran zu hindern, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Glauben Sie wirklich, es hätte was gebracht, sie durch halb London zu schleppen und auf einen Stuhl zu binden?«
McEvoy reagierte aggressiv auf Thornes aus der Frustration geborenen Zornesausbruch, aber sie hatte Recht, das war ihm klar. Erinnerungen waren ohnehin die meiste Zeit unzuverlässig. Etwas, worauf man nie bauen konnte. Sie zu erzwingen, fehlte da gerade noch.
»Könnten wir uns vorerst nicht einfach mit Murrells Beschreibung zufrieden geben?«, fragte McEvoy. »Vielleicht sollten wir der Presse mehrere Optionen anbieten. Mit und ohne Brille …«
»Nein.« Thorne wusste nur zu gut, welchen Unterschied eine Beschreibung machen konnte. Er hatte bereits genug Fehler begangen, die ihn teuer zu stehen gekommen waren. Ungenauigkeiten, Widersprüche waren unvermeidlich, aber sie auf ein Minimum zu reduzieren konnte Leben retten. So schrecklich einfach war das.
»Murrells Beschreibung ist fünf Monate alt. Margie Knight konnte diesen Scheißkerl vor zwei Wochen ziemlich gut sehen.« Er ging zurück an seinen Schreibtisch, blieb gegenüber McEvoy stehen und erklärte ihr in aller Deutlichkeit: »Ich möchte das Gesicht sehen, das sie im Kopf herumträgt. Wir vergleichen es mit dem von Murrell, und dann sehen wir, was dabei herauskommt.« Sie nickte. Er schlenderte um seinen Stuhl herum und setzte sich. »Wie gehen wir vor?«
»Die Sitte schuldet mir ein paar Gefallen, und jeder Polizist in der Gegend hat ihre Beschreibung. Wir finden sie.«
Thorne sah sie an. Ihr Gesicht war nicht immer einfach zu lesen, doch im Augenblick stand darin deutlich geschrieben, dass McEvoy, ob sie Margie Knight nun fand oder nicht, wild entschlossen war, jede schmuddelige Sauna, jeden Massagesalon und jedes drittklassige Bordell in der City zu zerlegen. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und versuchte so zu klingen, als sei er noch immer etwas sauer.
»Na los dann …«
Die Zweifel kamen mit der Zugluft von der Tür, als McEvoy diese hinter sich zuschlug. Ein oder zwei Minuten, als McEvoy da war und ihn die Wut gepackt hatte, hatte er fast entschlossen gewirkt. Als ob er tatsächlich eine Vorstellung davon hätte, was er tat. Zwei Wochen waren verstrichen seit dem Tod von Ruth Murray und Carol Garner, und sie fielen immer weiter zurück. Suchten nach Spuren bei zwei Morden, die fünf Monate früher begangen worden waren.
Thorne wusste, dass er den Rest des Tages nur Routinearbeiten erledigen und damit beschäftigt sein würde, gegen zwei entsetzliche Gedanken anzukämpfen. Der Erste war, dass wahrscheinlich, nein, so gut wie sicher, nur eins den Fall voranbringen, ihn auf eine höhere Ebene katapultieren konnte, nämlich ein weiteres Paar Leichen.
Der zweite Gedanke war eher ein Gefühl, das wie ein Virus oder eine Infektion in ihm lauerte, darauf wartete loszuschlagen, klamm und klebrig und gegen jede Behandlung immun.
Das Gefühl, dass sie nicht mehr lange würden warten müssen.
Heute war die Polizei in der Firma, Karen. Sie kamen zu zweit, wie die Männer, hinter denen sie her sind …
Sie schnüffelten nur etwas rum. Mehr war nicht, nichts Dramatisches. Es wurden weder Türen eingetreten noch Heckenschützen auf den Dächern gegenüber postiert. Keine Ahnung, was sie wirklich wissen. Ich habe mir das Hirn zermartert; ich brauche nur daran zu denken, und schon bekomme ich Kopfweh. Sie wären nicht gekommen, wenn sie keine Verbindung zwischen der Sache mit Jane und der anderen hergestellt hätten, du weißt schon … Ruth, die hinter dem Bahnhof. Das müssen sie rausgekriegt haben. Aber was wissen sie von den anderen! Von den seinen? Ich habe nicht die geringste
Weitere Kostenlose Bücher