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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Ahnung …
    Die ganze Zeit über, in der sie in der Lobby saßen, hätte ich es mit einem Wort beenden können. Es wäre so einfach gewesen, sich vor ihnen auf den Boden zu werfen und zu beichten. Meine Fantasie geht mit mir durch, ich weiß. Hätte ich nicht so entsetzliche Angst vor der Polizei, hätte ich nie damit angefangen, stimmt’s? Also bleibt mir wie üblich nichts übrig, als dir zu beichten, Karen. Ich muss dir gestehen, dass dein Gesicht, das Gesicht, das ich vor mir sehe, wenn ich dir alles beichte, voller Verständnis ist und voller Wärme. Voller Liebe.
    Mittlerweile beginnt meine Arbeit zu leiden, was nicht unbemerkt bleibt. Neulich wurde ich darauf angesprochen. Ich glaube zwar nicht, dass sie mich feuern oder so, aber falls ich in der Firma weiter nach oben kommen wolle, ließ man mich wissen, solle ich mich etwas am Riemen reißen. Wie soll ich mich konzentrieren, Karen? Wie soll ich denken können, wenn mich nur eines beschäftigt? Es überrascht mich, dass ich noch atmen kann. Es wundert mich die ganze Zeit, dass ich essen, laufen und mich anziehen kann.
    Alles, was ich sehe, sind aufgerissene Münder und rote Augen und Spucke auf Zähnen.
    Alles, was ich höre, sind Grunz- und Würglaute und das Geräusch von aus Löchern blubberndem Blut.
    Alles, was ich spüre, ist totes Fleisch in meinen Fingern.
    Dabei ist das noch nicht einmal das Schlimmste, Karen. Es gibt noch etwas weitaus Grauenvolleres. Das alles – die sensorischen Erinnerungen an diese Taten – würde wohl mit der Zeit verblassen, aber die ist mir nicht gegeben.
    Es sind erst zwei Wochen, nicht mehr, seit ich dieses Mädchen ins Dunkel gestoßen und ihr meine großen, ungeschickten Hände um den Hals gelegt habe. Zwei Wochen, Karen. Vierzehn Tage, mehr nicht. Kaum Zeit durchzuatmen, und schon wieder sind neue … Anweisungen da.
    Bald werde ich es wieder tun müssen.

 
1989
    Ihm war klar, sogar bevor er gekommen war, dass es das letzte Mal sein würde.
    Er hatte auf den Kopf des Mannes hinuntergesehen, der vor ihm kniete, hatte die kahle Stelle und die Schuppen in seinen Haaren gesehen und seinen Entschluss gefasst. Dieser Zeitpunkt war so gut wie jeder andere, um es bleiben zu lassen. In den letzten drei Jahren hatte er genug Geld zur Seite gelegt. Jetzt konnte er das hier abschließen.
    Gebettelt hatte er nur kurze Zeit, doch selbst das hatte er ordentlich gemacht. Professionell. Hier war es das Gleiche. Er tat es nicht, um damit seinen H-Konsum zu finanzieren wie die meisten anderen Jungs in diesem Geschäft. Sein Verdienst ging nicht drauf für Suff oder Spiel. Er nahm sich, was er für ein Minimum an Essen und Unterkunft brauchte, und den Rest legte er an.
    Er hatte eine Menge Geld in schäbigen Absteigen und Geschäftswagen gemacht. Er hatte härter und öfter gearbeitet als alle anderen. Schon immer war seine Schmerzschwelle sehr hoch gewesen, und seine Ekelschwelle war nicht niedriger. Es war einfach gewesen. Ein halbes Dutzend pro Tag, manchmal zehn, und alles bar auf die Hand. Sieben Tage die Woche, bei jedem Wetter. Seine Kunden wussten, dass sie immer zu ihm kommen konnten.
    Rund um die Uhr geöffnet.
    Inzwischen hatte er mehr als genug, und er hatte Leute kennen gelernt, die ihm mit dem Papierkram helfen konnten. Jetzt war es Zeit, dass sich diese ganze Mühe auszahlte. Was er vorhatte, machte selbstverständlich Sinn. Es war unumgänglich, wenn er auf der sicheren Seite sein wollte, wenn er sicher gehen wollte, dass sie ihn nicht finden. Aber ihm gefiel die Idee auch, weil er sich langweilte. Er war schon zu lange dieselbe Person. Nach neunzehn Jahren hatte er Lust auf etwas Neues.
    Es war an der Zeit, sich neu zu erfinden.
    Er zog seinen Schwanz aus dem Mund des Alten und begann theatralisch zu stöhnen. Der Alte holte Luft und klappte den Mund auf. Er hatte eine gelbe Zunge und scharfe Schneidezähne und sein sauberes Arbeitshemd war von oben bis unten schweißverklebt.
    Er kam, und dieses eine Mal war es mehr als dieses erbärmliche Gezucke und Gespritze, das er für die Kunden auf Bestellung zuwege brachte. Plötzlich kam das Stöhnen tief aus seiner Kehle, war lang und laut und voll Gefühl.
    Er kam …
    Spritzte alles hinaus, was von Stuart Nicklin übrig war. Hinfort und weg. Befreite sich von sich selbst …
    Das Gefühl blieb noch lange, nachdem die Ejakulation vorbei war. Er stöhnte noch immer, als er anfing, Schläge auf den Kopf des Alten auf dem Boden niederprasseln zu lassen. Er boxte und er spuckte

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