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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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ein Krampf im Bauch, der es ihnen schwer macht zu atmen. Der die Schläuche und Ventile da drin, im Bauch, zusammenquetscht. Sie suchen einander, diese Leute, die Freunde und die Verwandten, suchen ihre gegenseitige Nähe, weil sie alle das Gleiche empfinden und weil sie alle das Gefühl haben, langsam Stück für Stück abzusterben. Weil es ihnen so schlecht geht, wie es einem nur gehen kann Palmers Kopf sank immer tiefer, bis seine Wange auf dem Tisch zu liegen kam. Die Tränen sammelten sich in einer Pfütze unter seinem Gesicht, aber es war kein Ton zu hören.
    Thornes Stimme wurde leiser , ruhiger. »Doch das ist noch nicht alles. Das ist noch nicht das Ende. Keineswegs. Wenn ihre vermisste Frau oder Tochter oder Mutter ihre tote Frau oder Tochter oder Mutter wird, dann erst beginnt der wirkliche Schmerz. Wenn sie es erfahren, trifft sie die Nachricht wie ein Hammerschlag auf den Hinterkopf. Und diese Hammerschläge hören nicht auf. Die Leiche muss identifiziert werden. Die Wartezeit, während sie, den Blicken preisgegeben, untersucht und aufgeschnitten wird. Die Beerdigung muss organisiert werden, es gilt allerhand zu regeln, durchzusehen. Die Kleidung muss für die Bedürftigen eingepackt und bei Oxfam abgegeben werden. Kleiderbündel, in denen man das Gesicht birgt … Das Leben muss weitergehen, während der Schmerz sich innerlich und äußerlich festsetzt. Ein Brennen im Bauch, eine schorfige Stelle, an der man herumkratzt. Wut und Schuldgefühle. Dieser Schmerz ist weit mehr als nur körperlich, Martin. Und es ist am nächsten Morgen oder eine Woche oder einen Monat später nicht besser. Das krallt sich fest …«
    Es war vollkommen still im Raum. Und eiskalt. Sämtliche Luft schien aus dem Zimmer gewichen zu sein. Schließlich kam die entscheidende Frage, leise, wie gehaucht.
    »Wie heißt er?«
    Thorne zuckte zusammen, als Palmer unvermittelt den Kopf hochriss. Die Augen unter den dicken Gläsern waren rot gerändert und verzweifelt. Seine Stimme kam von weit weg.
    »Ich weiß es nicht.«
    Mit einem lauten Schrei stieß sich Thorne vom Tisch ab und schoss quer durch das Zimmer auf die Tür zu. Es verlangte ihn nach zweierlei. Er wollte Palmer in sein fleischiges Gesicht dreschen, und er wollte, dass Palmer genau davor Angst hatte.
    »Sie hatten Ihre Chance …«
    »Nein, bitte.« Die Panik in seiner Stimme war deutlich zu hören – und die Hilflosigkeit. Thorne blieb an der Tür stehen und wandte sich um. »Sie verstehen nicht. Wir waren zusammen auf der Schule …«
    Thorne zuckte mit den Achseln, hob die Hände und wartete. Und …?
    Palmer wandte langsam den Blick von ihm ab, senkte die Augen und sah auf den tränennassen Tisch. Auf sein verschwommenes Spiegelbild auf der zerkratzten und schmutzigen Metallfläche.
    »Nein … ich weiß nicht, wer er ist. Aber ich weiß, wer er war.«

 
Zweiter Teil
     
    Der Kinder wegen

Zehntes Kapitel
    Detective Superintendent Trevor Jesmond lächelte, als lutschte er an einer Zitrone.
    »Rekapitulieren wir, ob ich auch alles richtig verstanden habe. Wir haben im Augenblick einen Doppelmörder in einer Zelle in Kentish Town sitzen, und Sie schlagen mir vor, wir sollten nicht nur die Festnahme für uns behalten, sondern darüber hinaus anfangen, die Zeitungen mit Geschichten über Morde zu versorgen, die gar nicht begangen wurden? Morde … die wir einfach erfinden?«
    Jesmond zog eine Augenbraue hoch und musterte die beiden Männer, die links und rechts von ihm saßen, Russell Brigstocke und Steve Norman.
    Der vierte Mann im Zimmer rubbelte an einem geheimnisvollen weißen Fleck am Ärmel seiner schwarzen Lederjacke.
    »Im Prinzip … ja.«
    Auch Thorne ließ Brigstocke und Norman nicht aus den Augen, suchte nach einer Reaktion, um den Widerstand abschätzen zu können, den es zu überwinden galt. Brigstocke schien sich nicht festgelegt zu haben. Er schüttelte leicht den Kopf, eine Geste, die alles bedeuten konnte. Norman, der ölige Medienmensch, wirkte einfach nur gelangweilt.
    Thorne fuhr fort, wobei er sich dachte: Da bin ich schon mit ganz anderem fertig geworden. »Wir haben ihn nicht festgenommen.«
    Jesmond starrte ihn an. »Wie bitte?«
    »Wir haben Palmer nicht festgenommen. Er spazierte in die Polizeiwache.«
    Brigstocke beugte sich vor. »Tom, hier geht es nicht darum, Haare zu spalten …«
    »Das macht einen Unterschied.«
    Der Detective Chief Inspector lehnte sich wieder zurück. Diesmal war die Kopfbewegung klar und eindeutig. Werd jetzt bloß

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