Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
Tresen, nahm sich eine Hand voll Erdnüsse aus einer Schale und ging zu einem Tisch.
Er hatte nicht vor, heute Abend mit ihr zu schlafen. Natürlich würde er nicht nein sagen, doch seiner Einschätzung nach war Jo, so gerne sie flirtete, der Typ, der einen etwas hinhielt. Jane hatte ihn auch hingehalten, allerdings nur eine Nacht, und das war es wert gewesen, keine Frage. Selbstverständlich war nie mehr als eine Bettgeschichte beabsichtigt gewesen, das hatte er von Anfang an klargestellt, und sie war cool damit umgegangen. Er wollte sich von niemandem einfangen lassen, schon gar nicht von einem Mädchen an der Rezeption. Aber die Arbeit hatte dadurch definitiv mehr Spaß gemacht, ganz zu schweigen von den gelegentlichen Geschäftsreisen, die so wesentlich interessanter wurden. Sie war schon eine geile Nummer gewesen …
Er stopfte sich eine Hand voll Erdnüsse in den Mund und blickte sich um. Das Lokal begann sich langsam zu füllen mit den Typen, die froh waren, wieder einen Montag rumgebracht zu haben, und noch rasch einen heben wollten, bevor sie in einem voll gepferchten Bus oder Zug nach Hause fuhren. Jemand hatte eine zusammengerollte Ausgabe des Standard auf dem Nebentisch liegen lassen. Er nahm sie sich und fing an, die Sportseiten zu überfliegen.
Ja, ein netter Pub. Nach ein paar Gläsern hier noch zu einem Italiener oder so was. Nichts mit zu viel Knoblauch. Das gleiche Programm hatte er am ersten Abend mit Jane auch abgespult. Sechs Monate war das her.
Jo sah eigentlich besser aus als Jane, war aber nicht halb so witzig. Ihm fehlte das Rumgealbere mit Jane, ihr Schwung und der Spaß, den sie gehabt hatten. Er hatte ihr zugeredet, mit dem Kerl in der Auslandsabteilung zu flirten. Der Blödmann war drauf reingefallen, hundertpro. Hatte gestottert und war knallrot angelaufen. Drehte vollkommen durch, als er herausfand, dass man ihn zum Narren gehalten hatte. Mein Gott, wenn man sich nicht mal mehr im Büro ein Späßchen erlauben durfte …
Er sah noch einmal auf seine Uhr. Überprüfte, ob auf seinem Handy eine Nachricht eingegangen war. Warum zum Teufel kamen Frauen immer zu spät? Sie war nicht abgeneigt gewesen, als er davon gesprochen hatte, miteinander auszugehen. Er schrieb eine SMS: Wo bleibst du? Wahrscheinlich war sie noch im Büro, auf der Toilette, um sich aufzutakeln. Wenn er es sich recht überlegte, vielleicht sollte er es doch drauf anlegen, sie rumzukriegen. Lieber bei ihr, er brauchte ja nicht die ganze Nacht zu bleiben …
Er lächelte und sah sich schon im Bett mit ihr, als er den Standard umdrehte.
Er blickte auf die Titelseite, und beinahe hätte er sich an den Erdnüssen verschluckt.
Der junge Student stieg in der Kingsland High Street aus dem Bus. Von hier aus wäre er in zwei Minuten zu Fuß bei ihrer Wohnung in der Dalston Road.
Der Abend war überraschend mild. Er zog die Jacke aus und trug sie über dem Arm. Er ging schnell, sah in die Schaufenster des Secondhand-Plattenladens und des griechischen Cafés, dachte daran, wie sie ihn letzte Nacht angesehen hatte.
Sie hatte viel gelächelt, die Augenbrauen hochgezogen, an ihren oberen Schneidezähnen hatte man gerade noch die Zungenspitze gesehen. Sie hatte ein Lachen, das die Leute am anderen Ende des Pubs aufmerken ließ. Sie hatten alle schon einen Zacken in der Krone, nachdem sie eifrig den Sieg ihres Teams begossen hatten. Dann waren sie beide an der Bushaltestelle an der Highbury Corner gestanden, hatten geredet und drei oder vier Busse vorbeifahren lassen, bevor sie zu Fuß nach Hause gelaufen waren – sie Richtung Dalston und er in die andere Richtung, zu dem kleinen feuchten Wandschrank, den er am Tufnell Park gemietet hatte.
Sie hatten ausgemacht, sich heute zum Lunch im »Pizza Express« zu treffen. Er hatte verschlafen und musste sich richtig beeilen, um noch rechtzeitig zu kommen, atemlos und völlig verschwitzt. Er hatte über eine Stunde gewartet.
Es war eine lockere Verabredung gewesen, möglicherweise noch lockerer, als er es in Erinnerung hatte – er hatte Unmengen Guinness getrunken aber er war davon ausgegangen, dass sie kommen würde. Sie hatte kein Telefon in ihrer Wohnung, weshalb er den ganzen Nachmittag über versuchte, sie auf ihrem Handy zu erreichen. Er war gerade dabei, wieder einmal ihre Nummer zu wählen, als er beschloss, einfach bei ihr vorbeizuschauen. Es waren nur zehn Minuten, und der Bus fuhr praktisch bis vor ihre Haustür. Er war sich sicher, sie würde sich freuen, ihn zu
Weitere Kostenlose Bücher