Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
für die beste Idee.« McEvoy warf ihm einen zustimmenden Blick zu.
Thorne sah zur Tür. »Vielleicht …«
»Ob er seinen Kumpel verrät?« Thorne drehte sich zu McEvoy um. Sie hatte diese Frage gestellt, weil sie wusste, was er dachte, weil sie sah, wie seine Anspannung wuchs, während er auf die zerkratzte graue Tür starrte und sich den Mann dahinter vorstellte.
Ob er seinen Kumpel verrät …
Diese Frage stellte sich Thorne, seit er Palmers Namen zum zweiten Mal gehört hatte. Gott, es könnte so einfach sein. Vielleicht gab es eine Chance, wenn man ihn schnell und hart in die Zange nahm.
»Kommt Brigstocke?«, fragte Holland.
McEvoy machte ein paar Schritte in Richtung Eingangsbereich und lächelte den Streifenpolizisten zu, die sich in ihren Uniformen um die Rezeption scharten und sie mit offenem Mund anstarrten. »Unterwegs.«
»Sollen wir auf ihn warten?«
»Wahrscheinlich«, sagte Thorne und öffnete die Tür.
In den wenigen Sekunden, die er brauchte, um zu dem Kassettenrekorder auf der anderen Seite zu gelangen, nahm er alles auf. Den uniformierten Polizisten in der Ecke, der kurz aufschreckte, als Thorne die Tür zuschlug. Die Kälte. Palmers schmutzigen Hemdkragen. Palmer, der mit gesenktem Kopf an dem stählernen Tisch saß. Auf dem Kopf ein provisorischer Verband, braun von getrocknetem Blut.
Thorne griff nach zwei neuen Kassetten und fing an, mit groben Bewegungen die Plastikverpackungen herunterzureißen, ohne die Gestalt am Tisch aus den Augen zu lassen.
Palmer war groß, das war offensichtlich, auch wenn er vornübergebeugt und in sich zusammengesunken dasaß. Dünne, rotblonde Haare und eine Brille mit Metallfassung. Murrell und Knight hatten gute Arbeit geleistet. Das Bild war ein Volltreffer.
»Ich bin Detective Inspector Thorne und nicht in Stimmung, mich verarschen zu lassen. Haben Sie das verstanden?«
Palmer sagte kein Wort. Er rührte sich nicht einmal.
Thorne schob die Kassetten in den Rekorder, drückte auf den roten Knopf und wartete. Als das Summen aufhörte und die Kassette aufnahm, klärte er Palmer über seine Rechte auf. Er sprach schnell, spuckte die Worte aus, als habe er etwas Verdorbenes im Mund. Er erklärte Palmer, er könne jederzeit gehen, er sei nicht verhaftet, er habe das Recht auf einen kostenlosen und unabhängigen Rechtsbeistand. Das alles sagte er, weil er es sagen musste. Er dachte weder darüber nach, noch scherte er sich sonderlich darum. Nur einmal zögerte er kurz, als er den Blick der Statue in Uniform drüben in der Ecke suchte, deren Namen er für die Kassette brauchte.
Mit weit aufgerissenen Augen nannte der Constable seinen Namen, als säße er auf der Anklagebank.
Thorne stand Palmer gegenüber, die Hände auf dem stumpf glänzenden Metalltisch, und fixierte ihn. Er war sich der Anwesenheit von Constable Stephen Legge in der Ecke bewusst, der nervös von einem Bein aufs andere trat. Gut, dachte Thorne, ich mach dir Angst. Ich muss diesem Scheißkerl Angst einjagen.
Palmer hielt den Blick gesenkt.
»Also dann, diese zwei Morde, die Sie so mutig auf sich nehmen. Das sind zwei Morde von vieren, um genau zu sein. Richtig? Vier Morde insgesamt. Es gibt noch einen anderen Mann, seh ich das richtig?«
Nichts. Thorne ließ ein paar Sekunden verstreichen. Eine halbe Minute. Zog die Schlinge enger.
»Besser gesagt, es handelt sich um fünf Morde. Sie haben letzte Nacht Mist gebaut, Mist gebaut oder gekniffen, wie auch immer, aber ich bin mir verdammt sicher, dass er keinen Mist gebaut hat.« Langsam wiederholte er die Frage. »Es gibt noch einen anderen Mann, seh ich das richtig?«
Palmer nickte. Schniefte. Er stand kurz davor, in Tränen auszubrechen.
»Wer ist es?« Beiläufig. Als erkundige er sich nach der Uhrzeit. Nennen Sie mir einen Namen …
Thorne ging um den Tisch herum, stand hinter ihm. Nur deshalb ein Klischee, weil es funktionierte, weil es richtig war. Er beugte sich über ihn, tief genug, um den Schweiß zu riechen, um zu sehen, wie die erste fette Träne auf die Tischkante fiel.
»Da draußen liegt eine Frauenleiche … irgendwo. Im Augenblick wird sie nur vermisst. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob bereits eine Vermisstenmeldung eingegangen ist. Aber es gibt Leute, die sie vermissen. Es gibt Leute, die haben dieses merkwürdige Gefühl im Bauch, spüren es in diesem Moment. Diese Verunsicherung, die kurz aufflackert, sich allmählich als Angst festsetzt und schließlich zur Panik wird. Dann tut es richtig weh, das ist wie
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