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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Gesicht war verschwommen, aber es sah aus, als lache er. 1983 standen Palmer und Nicklin nebeneinander. Palmer blickte geradeaus in die Kamera. Nicklins Kopf, auf der Höhe der Schulter des größeren Jungen, war leicht gebeugt, aber seine Augen waren zu erkennen, dunkel und herausfordernd.
    Thorne beugte sich vor.
    »Hallo, Stuart …«
    Nach diesem kurzen Intermezzo ging Thorne weiter zum Bild von 1984 und presste die Nase gegen das Glas. Wieder sah Nicklin nicht in die Kamera, sondern flüsterte Palmer etwas zu, der steif neben ihm stand und merkwürdig grinste.
    Thorne ging weiter, musterte das Bild von 1985, aber natürlich fehlten hier sowohl Palmer als auch Nicklin. Er ging zurück, sah sich lange die verwischten Gesichtszüge an, das abgewandte Gesicht. Ihm war klar, dass es unmöglich war, aber er konnte nicht anders, er hatte das Gefühl, dass Nicklin bereits vor siebzehn Jahren absichtlich versucht hatte, sein Gesicht zu verbergen. Schon damals, als dreizehnjähriger Junge, hatte er irgendwie den Tag vorhergesehen, an dem jemand wie Thorne das Bild betrachten und ihn ansehen würde.
    Ihn suchen würde.
    Cookson wandte sich an Holland. »Wahrscheinlich eine dumme Frage, aber … das ist das erste Mal, dass Sie ihn gesehen haben, richtig?« Holland nickte. »Konnten Sie sich denn keine Fotos von seiner Familie besorgen?«
    Keine dumme Frage.
    Nicklins Familie war schnell gefunden. Nur seine Mutter lebte noch. Sie war an die siebzig und lebte in einer betreuten Wohnung. Holland hatte angerufen. Die Stimme der alten Frau hatte nicht mehr sonderlich fest, aber klar geklungen. Holland hatte sich vorgestellt und erklärt, der Name ihres Sohnes sei im Zusammenhang mit einer Ermittlung aufgetaucht und er habe ein paar einfache Fragen. Ihre Antworten waren bis auf eine einsilbig gewesen. Ob sie ihn in letzter Zeit gesehen habe? Nein. Ob sie Kontakt mit ihm habe? Nein. Holland hegte nicht den geringsten Zweifel, dass sie die Wahrheit sagte, störte sich jedoch daran, dass sie nicht das geringste Interesse daran zeigte, was ihr Sohn, der seit den letzten fünfzehn Jahren vermisst war, getan haben oder wo er stecken könnte. Sie hatte keine einzige Frage gestellt.
    Am merkwürdigsten war ihre Antwort auf Hollands letzte Frage gewesen, die er auf eine Eingebung hin noch angehängt hatte. Merkwürdig und beinahe unheimlich. Er hatte sie gefragt, ob sie etwas dagegen hätte, ihnen ein paar Fotos zu überlassen, sie würde sie natürlich zurückbekommen, am besten wären die neuesten Fotos, die aufgenommen wurden, kurz bevor Stuart verschwand …
    Das sei nicht möglich, hatte sie gesagt. Mrs. Nicklin hatte mit ruhiger Stimme erklärt, sie habe überhaupt kein Foto von ihrem Sohn Stuart. Nicht eines.
    Es war seltsam, aber nicht das Ende der Welt. Nach dem, was Palmer gesagt hatte, glaubte Thorne ohnehin nicht, dass ein fünfzehn Jahre altes Foto eine große Hilfe gewesen wäre.
    Holland fragte den Lehrer, wo die nächste Toilette sei, und entschuldigte sich.
    Cookson trug ein Moleskinsakko, Button-down-Hemd und Chinos. Thorne fand ihn ziemlich schick. Die teuren amerikanischen Loafers glitten leise schmatzend über den gebohnerten Boden, als Cookson ihn eine Treppe hinauf und einen langen, geraden Korridor entlangführte. Zwischen ihm und den schwerfälligen Sadisten in Kordsamtjacken oder Trainingsanzügen, die Thorne im Gedächtnis haften geblieben waren, lagen Welten.
    Cookson lugte durch die Fenster in jedes Klassenzimmer, an dem sie vorbeikamen. Sie suchten nach Ken Bowles, einem Mathelehrer – er war der einzige Lehrer, der bereits Anfang der Achtziger an der Schule gewesen war, zur selben Zeit wie Palmer und Nicklin.
    Thorne fragte sich, warum nur noch so wenige Lehrer aus dieser Zeit hier waren. Fünfzehn Jahre waren schließlich keine so lange Zeit.
    »Früher blieben die Lehrer länger an einer Schule«, erklärte Cookson, »aber das hat sich geändert. Es besteht die Gefahr … auf der Stelle zu treten. Und das Geld ist selbstverständlich immer ein Thema. Das hier ist eine gute Schule. Ich bin bereits einige Jahre hier. Wenn man in den privaten Sektor wechselt, hat man eine gute Chance, das Doppelte zu verdienen. Der Schuppen nebenan räubert hier immer wieder mal …«
    Thorne ging voran. Er warf einen Blick in das nächste Klassenzimmer, sah einen Mann, um dessen Kopf weiße Haare lohten und der an einem Schreibtisch saß und zum Fenster hinaussah. »Was ist mit Ihnen?«
    »Die Versuchung ist da, aber …

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