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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Plateausohlen trug statt der Teddy-Boy-Schuhe, weil er die paar zusätzlichen Zentimeter gut gebrauchen konnte. Er lächelte, als der Junge auf den Schulhof einbog und mit seinen Freunden quatschte. Sich Geschichten über das Wochenende aus den Fingern sog, fluchte, über Musik und die Fußballergebnisse vom Samstag redete.
    Die Schulglocke läutete, und Thorne folgte Holland zum Haupteingang. Sah noch einmal den Jungen, der in der Ferne verschwand. Der dreizehnjährige Tom Thorne hievte seinen grünen, schmuddligen Rucksack über die Schulter. Der Stoff war verziert mit Band- und Fußballernamen – Slade und Martin Chivers –, die Tasche voll gestopft mit Krimskrams und Marmitebroten und vielleicht auch mit dem einen oder anderen Schulbuch …
     
    Die Schulsekretärin sah aus wie alle Schulsekretärinnen, die Thorne je kennen gelernt oder sich vorgestellt hatte. Wahrscheinlich wurden sie irgendwo gezüchtet; dann brachte man ihnen bei, sich einen Haarknoten zu machen und die Augen stets auf ihre spitze Nase zu richten, bevor sie mit einer dicken Brille und einer ausgeprägten Vorliebe für Tweed hinaus in die Welt geschickt wurden.
    »Mr. Marsden kommt gleich. Er weiß, dass Sie hier sind.«
    Thorne lächelte sie an. »Vielen Dank.«
    Er und Holland saßen auf Plastikstühlen vor der Tür des Direktors. Ihnen gegenüber kauerte ein etwa zwölfjähriger Junge, dem die Angst in den Knochen saß. Thorne nahm Blickkontakt auf, doch der Junge schaute weg.
    »Ich fühl mich in meine Schulzeit zurückversetzt«, flüsterte Holland.
    »Zum Direx zitiert werden? Kann mir nicht vorstellen, dass Sie je in große Schwierigkeiten gerieten, Holland.«
    »Ich hatte meine Momente.«
    »Ach was, der Sohn eines Polizisten?«
    Holland fing an zu lachen, doch dann fiel ihm etwas ein, und das Lachen verebbte. Thorne dachte an seinen eigenen Vater. Es fiel ihm schwer, sich daran zu erinnern, wie er als Teenagervater gewesen war. Jim Thorne lief Gefahr, für ewig mit Sorge und Pflicht und seltsamen Unterhaltungen in Verbindung gebracht zu werden.
    »Fröhliche Weihnachten, Dad. Kümmert sich Eileen um dich?«
    »Sie hat den Rosenkohl zu lange gekocht …«
    »Ah ja. Hat dir das Video gefallen? Mir ist sonst kein Geschenk für dich eingefallen.«
    »Nenne die Namen sämtlicher Rentiere.«
    »Du kannst es dir vielleicht später ansehen …«
    »Es gibt neun. Neun Rentiere …«
    »Dad …«
    »Los, fang an. Ich geb dir Rudolf vor. Das ist der einfachste. Dasher, Vixen, Comet …«
    Thorne schloss die Augen und suchte nach einem Bild, wie sein Vater während seiner Kindheit ausgesehen hatte. Er roch Desinfektionsmittel, hatte den Geschmack von Weizengrieß auf der Zunge und das Quietschen der Turnschuhe auf dem Turnhallenboden im Ohr, doch das Bild seines alten Herrn als junger Typ war im Moment nicht verfügbar.
    Er schlug die Augen auf und spürte den Blick des verängstigten Jungen auf sich, bevor dieser schnell wegsah.
    Angst auf Kindergesichtern war ein Anblick, den Thorne nicht mehr wahrnahm. Zumindest nicht bei den Kids, mit denen er reden musste. Möglicherweise verbargen sie ihre Angst sehr gut oder sie hatten keine. Was er sah, waren Arroganz und Verachtung, manchmal auch so was wie Mitleid, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal einem Kind Angst eingejagt hatte.
    Thorne blickte hinauf zu der Uhr über der Sekretariatstür, dann zurück zu dem Jungen. »Es ist erst neun Uhr. Wie kannst du da schon in Schwierigkeiten stecken?«
    Der Junge sah ihn an und öffnete den Mund, aber Thorne sollte nie eine Antwort auf seine Frage erhalten. In diesem Moment ging die Tür auf, und ein lächerlich großer Mann mit einem grauen Haarschopf trat aus dem Zimmer.
    »Brian Marsden. Kommen Sie bitte herein.«
    Thorne und Holland kamen der Aufforderung nach.
    Die nächsten zehn Minuten zählten zu den bizarrsten des gesamten Falles. Marsden wusste genau, warum sie gekommen waren, wusste Bescheid über Palmer und Nicklin und behandelte Thorne und Holland dennoch, als habe er interessierte Eltern vor sich und keine wegen eines Mordfalls ermittelnden Polizeibeamten. Er reichte ihnen beiden eine aufwendig aufgemachte Broschüre mit einem Überblick über den aktuellen Lehrplan, Details der beeindruckenden Sportmöglichkeiten, die an der Schule geboten wurden, und sogar mit Auszügen aus dem Speiseplan. Bevor sie ihn davon abhalten konnten, stürzte er sich in eine Kurzfassung der Schulgeschichte. Bis in die späten achtziger

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