Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
Vom Netzwerk:
solle mit ihm und Leuten wie ihm verfahren werden. Das war in ihren Augen die angemessene Reaktion.
    Der Telefonmoderator, dessen Aufgabe es normalerweise war, den advocatus diaboli zu geben, stimmte Alf aus ganzem Herzen zu, und die beiden stürzten sich begierig in eine Diskussion über die Todesstrafe. Ob wir je wieder zur Vernunft kämen und die Todesstrafe wieder eingeführt würde, und ob wir dann am Strang festhalten oder uns vielleicht doch ins 21. Jahrhundert vorwagen und zur Todesspritze greifen sollten.
    Er schloss die Augen und blendete das Geschwätz aus.
    Leute wie er …
    Er konnte nicht sagen, dass er tatsächlich jemals einen Menschen getroffen hätte, der wie er war. Nicht wirklich. Er hatte mit genug Leuten zu tun gehabt, für die die Achtung vor dem Gesetz unnötiger Luxus war, und mit einigen, die nie über ein moralisches Rückgrat verfügt hatten oder denen es abhanden gekommen war. Er hatte eine Menge Menschen gekannt, die so verzweifelt waren, alles in Betracht zu ziehen, aber niemals einen Menschen, der glücklich war, alles in Betracht zu ziehen. Das störte ihn nicht weiter, aber genauso wenig fand er Trost darin. Er akzeptierte es einfach als Tatsache. Er war nicht arrogant genug, um anzunehmen, er sei einzigartig. Er konnte sich durchaus vorstellen, eines Tages auf der anderen Straßenseite oder auf einem Bahngleis oder dem Fernsehschirm jemanden zu sehen, in dessen Augen er einen bestimmten Ausdruck erkannte.
    Diesen Ausdruck hatte er in Martin Palmers Augen mit Sicherheit nie gesehen. Jetzt war die Zeit gekommen, mit seinem alten Freund wieder in Kontakt zu treten.
    Er stand aus seinem Sessel auf und ging zu dem Laptop hinüber, den er gestern in einem dieser riesigen Elektroläden von Dixons gekauft und bar bezahlt hatte und der auf dem Esstisch stand. Er schaltete ihn ein, und während der Rechner hochfuhr, holte er den frischen Handy-Clone, den er auf dem Heimweg in Südlondon gesehen hatte. Den Computer und das Handy würde er morgen auf dem Weg in die Arbeit entsorgen.
    Er hatte immer großen Wert darauf gelegt, sich niemals zu wiederholen. Einen von hundert kostenlosen E-Mail-Accounts zu öffnen war kein Problem. Und bei der Hardware achtete er stets darauf, dass sie nicht zurückverfolgt werden konnte. Die ersten paar Male war er einfach in ein Internetcafé spaziert. Die kleineren Kaschemmen waren ihm lieber – umgewandelte schmuddelige Imbissbuden, die mit billigen Fotokopiermöglichkeiten warben und in einem Hinterzimmer eine Reihe versiffter iMacs der ersten Generation stehen hatten. Gewöhnlich waren diese Absteigen versteckt, verschwanden beinahe zwischen Massagesalons und halbseidenen Kurierdiensten, und waren nicht einmal den Rucksacktouristen bekannt. Niemand servierte hier Cappuccino oder scherte sich den Teufel darum, auf welche Pornoseiten man zugriff. Hier gab es auch keine Videoüberwachung.
    Er war dazu übergegangen, Laptops zu benutzen, die natürlich für seinen Zweck ideal waren, und dann ging es nur darum, wo er die Dinger einstöpselte. Das war nicht das erste Mal, dass er ein gestohlenes Handy benutzte – er kannte einen Typen, der sie extrem billig verhökerte. Doch in der Vergangenheit hatte er auch gerne auf die Telekommunikationsmöglichkeiten zurückgegriffen, die diese beschissenen Hotels in der Stadtmitte anboten. Man brauchte nur einzuchecken, sich einzuloggen und sich anschließend wieder zu verziehen. Wenn – und das Wenn war in diesem Fall großgeschrieben – die Spur jemals hierher zurückverfolgt würde, vermochte sich gewiss niemand mehr an den anonymen Geschäftsmann mit dem kleinen Lederkoffer zu erinnern.
    Er schloss das Handy an den Laptop an und setzte sich an den Tisch. Und begann zu überlegen, was er schreiben sollte. Er mochte es, wenn die Formulierung saß.
    Komisch, er hatte richtig vorausgesehen, dass etwas in der Richtung passieren würde, dass ihm die Entscheidung auf merkwürdige Weise abgenommen werden würde. Nein, er hatte keine Wahl als zu reagieren. Die Reaktion, ob angemessen oder nicht, war so ziemlich die einzige, zu der er in der Lage war.
    Er meldete sich an, und der Computer begann die Verbindung aufzubauen. In wenigen Minuten öffnete er einen neuen Account, dachte sich einen Namen und ein Passwort aus. Er genoss es, eine neue Identität anzunehmen, egal, ob sie für viele Jahre oder nur ein paar Stunden in einem versifften Hotelzimmer währte. Er mochte sogar Identitäten wie diese, die er nur für die paar

Weitere Kostenlose Bücher