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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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hatte eine Ahnung oder scherte sich darum, ob er noch am Leben war.
    Ein paar Augenblicke dachte McEvoy darüber nach, was Thorne gesagt hatte, oder zumindest tat sie so. »Nein. Mütter und Söhne. Väter und Töchter …«
    Thorne drückte auf die Hupe, als ein weißer Van an der Ampel einen Kavalierstart hinlegte und ihn schnitt. »Sie haben nie meinen Vater kennen gelernt, stimmt’s?« McEvoy machte keine Anstalten zu lachen, also ließ Thorne die Scherze. »Hören Sie, falls es irgendetwas gibt, das wir von dieser Frau erfahren können und das uns weiterhelfen könnte, will ich es hören. Verstanden? Sie sind Polizistin und keine Amateurpsychologin, also gehen Sie da rein und erledigen Sie Ihren Job …«
    Ab dem Augenblick, als sie hier ankamen, hatte McEvoy etwas dick aufgetragen.
    »Vielleicht sollten wir damit anfangen, als Stuart von zu Hause fortging, Annie.«
    Die alte Frau räusperte sich. Ein, zwei Sekunden, nachdem sie fertig war, war das Rasseln in ihrer Brust noch immer zu hören. Dann ergriff sie das Wort. »Das ist der Anfang und das Ende. Er ging. Das Ende.« Bisher ihr längster Satz. Thorne sah zu McEvoy. Fahren Sie fort …
    »Sie haben also nie mehr von ihm gehört?«
    Annie Nicklin griff nach einer leeren Teetasse, musterte sie und setzte sie wieder ab. »Es kam mal ein Brief aus London.«
    »Haben Sie den noch?«
    Sie wandte ihnen langsam den Kopf zu und lächelte trotz der Schmerzen, die sie offensichtlich quälten. »Hab ihn nie aufgemacht.«
    »Wollten Sie nicht wissen, wo er ist?«, fragte Thorne.
    Es war unmöglich zu sagen, ob sie ihn oder die Frage ignorierte. Auf jeden Fall gab sie keine Antwort.
    McEvoy machte weiter. »Er verschwand im September 1985, ist das richtig?«
    Die alte Frau nickte.
    »Einfach so? Aus heiterem Himmel?«
    »Ich war nicht … besonders überrascht.«
    Thorne dachte : oder traurig …
    »Das war etwa einen Monat nach dem Verschwinden von Karen McMahon?« Mrs. Nicklin fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und starrte vor sich hin. McEvoy versuchte es noch einmal. »Als Stuart verschwand, das muss doch etwa einen Monat nach …«
    Leise stöhnend griff Mrs. Nicklin nach dem Stock, der an ihrem Sessel lehnte, und deutete damit vor Anstrengung ächzend auf ein Fläschchen mit Tabletten, das auf dem Fernseher stand. Thorne erhob sich und holte das Fläschchen. »Die hier?« Er öffnete es. »Wie viele? Nur eine?« Mrs. Nicklin nickte, und er reichte ihr eine Tablette. Auf dem an ihrem Sessel befestigten Tablett stand ein Glas Wasser, das er ihr gab. Sie nahm einen Schluck.
    Thorne setzte sich wieder. Pillen für Annies Körper, der den Geist aufgab. Obwohl ihr Verstand noch scharf war. Scharf genug, um alles zu verstehen. Um zu entscheiden, wann es besser war, eine Tablette zu nehmen, um einer unliebsamen Frage aus dem Weg zu gehen …
    »Nahm ihn die Sache mit Karen mit? Verschwand er deshalb?« McEvoy verrenkte sich den Hals bei dem Versuch, Augenkontakt zu ihr aufzunehmen. »Wie oft traf er sich mit Martin Palmer, bevor er verschwand?« Der Hund jaulte noch immer, und nun ignorierte Annie auch McEvoys Fragen.
    Thorne wuchtete sich hoch und trat vor sie. Sie machte schmatzende Geräusche mit der Zunge und versuchte, den Kopf zu bewegen. Thorne hatte sich zwischen der alten Frau und dem ausgeschalteten Fernsehgerät aufgebaut.
    Der entgegenkommende Ton war aus Thornes Stimme verschwunden. »Erzählen Sie mir von Karen, Mrs. Nicklin.« Ein tiefes Stöhnen drang aus ihrer Kehle, aber mitteilsamer wurde sie nicht. Thorne beugte sich tief zu ihr hinunter; von seiner Geduld war nicht mehr viel übrig. »Erzählen Sie mir von Karen McMahon.«
    Als Palmer den Namen zum ersten Mal nannte, rührte er damit an eine Erinnerung. Thorne hatte von dem Fall natürlich gehört – ein vermisstes Mädchen, eine landesweite Suche –, aber er hatte nur noch eine vage Vorstellung von den Details. Als er das Datum hörte, war ihm klar, weshalb. Der Sommer 1985. Er war damals … gefangen von seinem eigenen Fall. Johnny Boy. Francis John Calvert, der Schwule umbrachte und der Meinung war, die Polizei sei ihm zu nah auf den Fersen. So nahe, dass ihm keine Wahl blieb …
    Der Albtraum, in den ein junger Detective Constable namens Thorne hineinstolperte …
    »Erzählen Sie mir von Karen.«
    Er sah, wie sich die aschgraue, papierdünne Haut über den geschwundenen Muskeln ihres Kiefers spannte, als sie mit ihren falschen Zähnen knirschte. Mit der ganzen Kraft, die noch in

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