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Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes

Titel: Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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    »Das ist wirklich gut gemacht.« Tracy Lenahan legte den Brief auf den Tisch, nicht das Original, sondern eine Kopie eines der rund zwanzig Briefe, die Douglas Remfry während der letzten drei Monate im Gefängnis erhalten hatte, plus der paar, die an seine Heimatadresse gingen, nachdem er entlassen worden war. Die Briefe, die Holland unter Remfrys Bett gefunden hatte.
    Die Briefe des Mörders, der sich darin als eine achtundzwanzigjährige Frau namens Jane Foley ausgab.
    Thorne und Holland waren bereits darüber aufgeklärt worden, wie die Post der Gefängnisinsassen sortiert wurde. Die Briefe – durchschnittlich fünf Säcke am Tag – wurden von zwei, manchmal drei Beamten zur Überprüfung in den Zensurraum gebracht. Der jetzige Direktor hatte das Röntgengerät abgeschafft, doch gelegentlich wurden Drogensuchhunde eingesetzt. Außerdem wurden sämtliche Briefe geöffnet und auf unerlaubte Beigaben hin untersucht. Gelesen wurden die Briefe von den Beamten nicht, und außer diesen bekam sie in der Regel niemand zu sehen.
    »Sie meinen, gut gemacht, um als Frau durchzugehen?«, fragte Thorne. Er fand die Briefe verdammt überzeugend und Yvonne Kitson ebenfalls. Aber es schadete nicht, eine weitere Meinung einzuholen.
    »Ja, aber ich finde, das allein ist es nicht. Ich habe schon ein, zwei derartige Briefe zu Gesicht bekommen, echt gemeinte Briefe. Sie wären überrascht, wie viele solche Briefe Leute wie Remfry tatsächlich erhalten. Der hier hat genau diesen merkwürdigen, leicht kranken Ton getroffen …«
    »Schmeißt sich ziemlich ran«, meinte Holland.
    Lenahan nickte. »Genau, das trifft’s. Sie tut so, als wäre sie eine richtig heiße Nummer, die auf Spaß aus ist …«
    »Eine verheiratete heiße Nummer«, fügte Thorne hinzu. Die fiktive Jane Foley war passenderweise bereits mit einem gleichermaßen fiktiven und noch dazu eifersüchtigen Ehemann ausgestattet, so dass Remfry ihre Briefe nicht erwidern konnte.
    Lenahan las sich noch einmal ein paar Zeilen durch und nickte. »Zwischen diesem anzüglichen Zeug, mit dem sie ihn anmachen will, wird eine Art Hoffnungslosigkeit spürbar, eine unterschwellige Trauer …«
    »Als sei sie verzweifelt«, sagte Thorne. »Eine Frau, die verzweifelt genug ist, solche Briefe an einen wegen Vergewaltigung verurteilten Häftling zu schreiben.«
    Holland blies die Backen auf. »Da wird mir ganz schwindlig im Kopf. Ein Typ, der so tut, als sei er eine Frau, die wiederum so tut, als sei sie eine andere Frau Lenahan legte den Brief zurück auf ihren Schreibtisch. »Aber raffiniert gemacht. Wie ich schon sagte, der Kerl scheint nicht blöd zu sein.« Das hätte sie Thorne nicht zu sagen brauchen. Er hatte jeden einzelnen von »Jane Foleys« Briefen studiert. Ihm war klar, wie raffiniert der Mann war, der sie geschrieben hatte. Raffiniert, berechnend und außerordentlich geduldig.
    Lenahan griff nach dem Foto. »Und das ist das Sahnehäubchen …«
    Eine merkwürdige Wortwahl, fand Thorne, enthielt sich aber jeden Kommentars. An der Wand hinter dem Schreibtisch hing das vorgeschriebene Porträt der Queen, die leicht die Nase zu rümpfen schien, als störe sie sich an einem unangenehmen Duft aus der Kantine. Zur Linken Ihrer Majestät befand sich eine Serie gerahmter Luftaufnahmen des Gefängnisses, und neben diesen sehr modernen Bildern hingen zwei Landschaften in Öl. Thorne hatte keine Ahnung von Bildern, aber die hier schienen ganz schön alt zu sein. Lenahan sah auf und folgte Thornes Blick.
    »Die sind hier, seit es den Kasten gibt, also seit 1853«, erklärte sie. »Hingen unten im Besuchertrakt und fingen Staub. Vor sechs Monaten bekamen wir einen Gefangenen rein, der Antiquitäten gestohlen hatte. Er warf einen Blick darauf und wurde kreidebleich. Jedes davon ist geschätzte zwölf tausend Pfund wert …«
    Sie lächelte, und ihr Blick fiel auf das schwarzweiße Foto in ihrer Hand. Thornes Blick wanderte zu dem silbernen Fotorahmen auf ihrem Schreibtisch. Von seinem Stuhl aus konnte er das Foto darin nicht sehen, aber er stellte sich einen durchtrainierten Ehemann vor – vielleicht war er bei der Armee oder gar bei der Polizei – und ein Kind mit olivbrauner Haut und einem strahlenden Lächeln. Er sah wieder zu der Frau hinter dem Schreibtisch, deren dunkle Augen das Foto fixierten. Sie war lachhaft jung, wahrscheinlich noch nicht einmal dreißig. Die schwarzen Haare trug sie schulterlang. Sie war groß und hatte üppige Brüste. Selbst einem Blinden mit

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