Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
Constable. Nicht, dass es hier keine schwer erträglichen Typen gäbe, verstehen Sie mich nicht falsch, aber die wenigsten halten sich einen Harem. Natürlich, Häftlinge gehen Beziehungen miteinander ein, aber soweit ich weiß, fallen sie nicht über jeden her, der in der Dusche die Seife fallen lässt.«
Thorne musste grinsen. Holland grinste ebenfalls, aber Thorne entging nicht der angespannte Zug um seinen Mund und die leichte Röte über seinem Hemdkragen. »Soweit Sie wissen?«, fragte Holland. »Das würde heißen, es ist möglich.«
»Vorletzte Woche wurde einem Häftling in der Küche ein Ohr abgeschnitten. Mit einem Pfirsichdosendeckel. Es ging um einen Streit wegen eines Tischtennisspiels, glaube ich.« Sie lächelte, sexy und sehr kalt. »Alles ist möglich.«
Thorne stand auf, kehrte Lenahans Schreibtisch den Rücken und ging zur Tür. »Angenommen, bei dem Mann, nach dem wir suchen, handelt es sich nicht um einen Exhäftling. Dann drängt sich die Frage auf, wie er an die Informationen rankam. Wie spürte er Remfry auf? Wie fand er heraus, wo ein wegen Vergewaltigung verurteilter Häftling seine Strafe absitzt und wann er entlassen wird, um genug Zeit zu haben, alles in Szene zu setzen?«
Lenahan drehte sich zu ihrem Computer, der am Rand ihres Schreibtischs stand. Sie drückte auf eine Taste. »Er hätte es sich aus einer Datenbank besorgen müssen.« Sie drückte ein paar weitere Tasten, ohne die Augen vom Bildschirm abzuwenden. »Das hier ist ein LIDS-Rechner. Local Inmate Data System, damit habe ich Zugriff auf sämtliche Informationen über sämtliche Gefängnisinsassen hier. Das kann ich zwar an andere Gefängnisse weiterleiten, aber wenn Sie mich fragen, reicht das nicht …«
Thorne betrachtete die am nächsten hängende Landschaft. Die dunklen, dicken Farbstriche auf der Leinwand. Könnte irgendwo im Lake District sein. »Und landesweite Datenbanken?«
»IIS. Das Inmate Information System. Darin finden Sie alles – Ortsangaben, Details über die Straftat, Wohnsitz, Zeitpunkt der Entlassung.« Sie blickte zu Thorne auf. »Aber Sie müssen noch immer einen Namen eingeben.«
»Wer hat darauf Zugriff?«, fragte Holland. »Sie?«
»Nein …«
»Der Direktor? Der Verbindungsbeamte?«
Lächelnd, aber bestimmt schüttelte sie den Kopf. »Der Zugriff ist nur von der Zentrale aus möglich. Das System ist ziemlich gut abgesichert. Aus verständlichen Gründen …«
Dank und Abschied fielen kühl aus. Anders hätte Thorne es auch nicht gewollt. Zwar hatte er die ganze Zeit nicht eine blaue Sträflingskluft gesehen, aber er konnte den Gedanken an die Häftlinge dennoch nicht abschütteln. Sie waren überall, neben ihm, unter ihm, auf allen Seiten. Ein fernes Grummeln, eine drückende Last, die Hitze, die diese über sechshundert Männer abstrahlten – eingesperrt dank Leuten wie ihm.
Immer wenn Thorne ein Gefängnis betrat und durch die grünen, senfgelben oder schmutzig beigen Korridore lief, streute er im Geist eine Spur aus Brotkrumen. Er brauchte die Versicherung, so schnell wie möglich nach draußen gelangen zu können.
Den Großteil des Heimwegs auf der M1 vergrub Holland seine Nase in einer Broschüre, die er aus dem Gefängnis mitgenommen hatte. Thorne zog seine eigene Recherchemethode vor.
Er schob Johnny Cash at San Quentin in den Kassettenrekorder.
Holland sah auf, als »Wanted Man« erklang. Er hörte ein paar Sekunden zu, bevor er den Kopf schüttelte und sich wieder seinen Fakten und Zahlen zuwandte.
Thorne hatte einmal versucht, es ihm zu erklären. Ihm auseinander zu setzen, dass echte Countrymusic rein gar nichts mit verloren gegangenen Hunden und Glitzerkostümen zu tun hatte. Es war eine lange Nacht geworden, in der sie Guinness tranken und Pool spielten und Phil Hendricks – wie immer sein aktueller Freund gerade hieß – gnadenlos lästerte. Thorne hatte versucht, Holland die Augen zu öffnen für die Schönheit von George Jones’ Stimme, die Verruchtheit in der von Merle Haggard und das Ehrfurcht gebietende Knurren von Cash, ihrer aller dark daddy. Nach ein paar Bier erzählte er jedem, der es hören wollte, Hank Williams sei ein gequältes Genie gewesen, zweifellos der Kurt Cobain seiner Generation, und vielleicht hatte er sogar zur Sperrstunde »Your Cheating Heart« angestimmt. Die Details waren ihm entfallen, aber er konnte sich noch daran erinnern, dass Hollands Blick schon lange zuvor ins Leere gegangen war …
»Wahnsinn«, sagte Holland. »Ein
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