Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
Häftling kostet fünfundzwanzigtausend pro Jahr. Ist das viel oder nicht?«
Thorne konnte es nicht sagen. Eine Menge Leute verdienten nicht mal die Hälfte. Andererseits galt es die Löhne des Gefängnispersonals zu bedenken, die laufenden Kosten für die Gebäude …
»Ich denke nicht, dass sie es für Teppiche und Kaviar ausgeben«, erwiderte Thorne.
»Nein, aber … »
Der Mondeo war der reinste Backofen. Er war zu alt für eine Klimaanlage, - dennoch war Thorne stinksauer, der Heizung nichts als Warmluft entlocken zu können, obwohl er sie bereits zweimal hatte reparieren lassen. Er öffnete ein Fenster, schloss es jedoch nach einer halben Minute wieder – die frische Brise war den Krach nicht wert.
Holland blickte von seiner Broschüre auf. »Ob’s da drin luxuriös zugeht? So mit Fernseher in den Zellen? Playstations, manche sogar …«
Thorne stellte die Musik leiser und las im Vorbeifahren den Wegweiser. Bald kam die Ausfahrt nach Milton Keynes. Noch achtzig Kilometer bis London.
Nicht zum ersten Mal fiel ihm auf, dass er zwar viel Zeit darauf verwandte, Leute hinter Gitter zu bringen, sich jedoch überraschend wenig Gedanken darüber machte, was mit ihnen geschah, sobald sie dort gelandet waren. Dachte er doch einmal darüber nach, fand er, dass nach reiflicher Abwägung der Argumente der Verlust der Freiheit alles in allem wohl das Schlimmste war. Darüber hinaus konnte er nicht wirklich sagen, wie er dazu stand.
Er trat leicht auf die Bremse, bis er knapp unter hundertzwanzig fuhr, und wechselte dann die Spur. Sie hatten keine Eile …
Wenn sich Thorne in einem Punkt sicher war, dann in dem, dass Mörder, Sexualstraftäter, Menschen, die sich an Kindern vergingen, aus dem Verkehr gezogen werden mussten. Diese Leute wegsperren war nicht nur eine Redeweise, sie taten genau das. Er tat das. Sobald diese Straftäter … weg waren, mussten sich andere darüber den Kopf zerbrechen, wann die Strafe endete und die Rehabilitation begann. Instinktiv hatte er das Gefühl, Gefängnisse dürften niemals zu etwas werden, das an ein … der Ausdruck »Ferienlager« tauchte vor ihm auf. Er fand es unerträglich, sich plötzlich wie ein geifernder konservativer Tory-Knallkopf anzuhören. Einen solchen Unterschied machten die paar Fernsehgeräte schließlich auch nicht. Sollten sie sich doch Fußball anschauen oder auf den Moderator von »Wer wird Millionär?« einbrüllen oder wonach immer ihnen der Sinn stand …
Leider war Holland, als Thorne endlich klar war, wie er diese Frage beantworten sollte, bereits ganz woanders.
»Heilige Scheiße.« Holland blickte von der Broschüre auf. »Sechzig Prozent der Tornetze in der englischen Liga werden von Häftlingen hergestellt. Hoffentlich haben sie die White Hart Lane stark genug gemacht, bei dem, was den Spurs so alles reingeknallt wird …«
»Allerdings …«
»Noch so was. Gefängnisfarmen produzieren pro Jahr zehn Millionen Liter Milch. Das ist unglaublich Thorne hörte nicht mehr zu. Er nahm nur noch wahr, wie die Straße unter ihm hinwegrollte, und dachte an das Foto. Sah die Frau mit der Kapuze über dem Kopf vor sich, diese angebliche Jane Foley. Und bei diesem Bild aus dem Schatten auftauchender nackter Rundungen spürte er Erregung in sich aufsteigen.
Wo immer er das her hat …
Mit einem Mal wusste Thorne, wo er die Antwort darauf finden würde, soweit es eine Antwort darauf gab. Die Frau auf dem Foto war vielleicht nicht Jane Foley, aber sie existierte. Und Thorne wusste, wer ihm ihren Namen liefern konnte.
Als er sich wieder Holland zuwandte, war dieser bereits mitten in der nächsten Frage.
»… so übel? Ob Gefängnisse heute besser sind als damals …?« Er deutete auf den Kassettenrekorder.
»1969«, sagte Thorne. Johnny Cash sang seinen Song über San Quentin. Sang davon, dass er jeden Quadratzentimeter dieses Ortes hasste, an dem sie sich befanden. Bei jedem Anwurf johlten die Häftlinge, bei jeder polemischen Beschimpfung, jeder Aufforderung, das Gefängnis dem Erdboden gleichzumachen.
»Und?« Holland fuchtelte mit seiner Broschüre in der Luft herum. »Sind die Gefängnisse heute besser als damals? Vor rund dreißig Jahren?«
Thorne dachte an einen Mann in Belmarsh, sah sein Gesicht vor sich, und sofort verhärtete sich etwas in ihm.
»Hoffentlich nicht …«
Kurz nach sechs Uhr sperrte Eve Bloom den Laden zweifach ab, lief ein paar Schritte zu einer knallroten Eingangstür und war zu Hause.
Die Mietwohnung über dem Laden
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