Tom Thorne 04 - Blutzeichen
der Straße; warum er zu dem Schluss gekommen war, er müsse dafür sorgen, dass Billy Ryan draußen nicht auf ihn wartete.
»Wir holen ihn also raus, bieten ihm Zeugenschutz an, und er sagt gegen Billy Ryan aus, beschuldigt ihn des versuchten Mordes an Jessica Clarke?«
»Rooker weiß eine Menge«, sagte Thorne. »Er erzählt uns alles, und er wiederholt alles vor Gericht.«
Es begann zu regnen. Die Tropfen waren schwer, aber sie fielen nur vereinzelt. Einen Augenblick lang war im Zimmer nichts zu hören als das unregelmäßige Klopfgeräusch gegen das Fenster.
»Wer ruft bei Ex-DCI Chamberlain an und experimentiert mit dem Brennspiritus in ihrem Garten?« Tughan klang skeptisch. »Wir gehen wohl davon aus, dass es der Typ ist, der das Mädchen wirklich abgefackelt hat?«
»Keine Ahnung«, gestand Thorne.
»Ein etwas großer Zufall, finden Sie nicht?«
»Rooker leugnet, davon gewusst zu haben.«
»Tatsächlich.« Tughan sah zu Brigstocke. »Russell?«
»Ein Kumpel von Rooker? Jemand, den er im Knast kennen gelernt hat? Mit dem er Kontakt hat …?«
Thorne versuchte, nicht ungeduldig zu wirken. »Wir haben genug Zeit, um das alles zu überprüfen. Billy Ryan hat dieses Mädchen so gut wie umgebracht, und uns bietet sich die Chance, ihn dafür dranzukriegen. Weiß Gott, der hat genug auf dem Kerbholz, aber damit kriegen wir ihn. Wir sollten das abwägen.«
Thorne verkniff sich die Bemerkung: Wir sollten es für Marcus Moloney tun. Aber nicht nur …
Der Regen war heftiger geworden und prasselte ans Fenster.
»Das Abwägen findet ein paar Etagen weiter oben statt, so viel ist klar«, sagte Tughan. »Sogar ein paar Etagen über Tesmond …« Er holte tief Luft und griff nach dem Telefon.
Als er und Brigstocke aufstanden und zur Tür gingen, dachte Thorne darüber nach, was Brigstocke gewusst und für sich behalten hatte. Er überlegte, ob er sich mit ihm darüber unterhalten sollte, auf welcher Seite sie eigentlich standen. Aber wahrscheinlich war das nicht der geeignete Zeitpunkt.
Mittags im Royal Oak hatte sich die Stimmung im Team etwas aufgehellt, was aber auch am Bier gelegen haben mochte.
Das Oak war die Stammkneipe des Teams, allerdings nur deshalb, weil es so günstig lag. Niemand konnte sich daran erinnern, es einmal nicht proppenvoll mit Bullen erlebt zu haben. Daher konnte niemand sagen, ob die Atmosphäre – oder der Mangel an Atmosphäre – auf ihre Anwesenheit zurückzuführen war. Nicht dass Trevor, dieses Klappergestell von Wirt, sich keine Mühe gegeben hätte. Er hatte die Vorderseite des lackierten hellen Holztresens mit Polaroids von diversen weiblichen Stammgästen dekoriert, die ihre T-Shirts hochrissen, um ihre Büstenhalter oder nackten Brüste zu zeigen. An anderen Stellen hatte er sich für eine spanische Note entschieden, wovon jede Menge nachgemachtes Schmiedeeisen und ein paar verstaubte Sombreros auf einem Regal über der Bar zeugten. Und an zwei Tagen die Woche schnitt er Schweinepastete und Scotch Eggs auf, diese hart gekochten Eier, die mit Schinken umhüllt, paniert und anschließend überbacken wurden, und setzte sie als Tapas auf die Speisekarte.
Tughan, Kitson oder Brigstocke fehlten, aber die meisten anderen waren anwesend. Sie hoben ein Glas auf Marcus Moloney. Sein Tod hatte dem Verhältnis von Serious Crime Group und SO7 etwas an Schärfe genommen. Verständlicherweise verfolgten sie ein gemeinsames Ziel, nämlich die für seinen Tod – für all die Toten in letzter Zeit – Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.
Thorne stimmte in den gefühlsduseligen Trinkspruch ein, und mehr war es nicht. Er hoffte, dass die Risse nicht allzu schnell wieder zutage traten. Holland setzte sich mit einem Tablett voller Drinks neben ihn, worauf er seinen Teller mit dem restlichen Hühnchen und den kaum angerührten Pommes wegschob. Inzwischen waren sie alle zu Cola, Mineralwasser oder Orangensaft übergegangen. Thorne, der sich nicht mehr ganz so frisch fühlte, genehmigte sich eine Dose Red Bull. Plötzlich fiel ihm die Einladung ein, die er abgelehnt hatte. »Waren Sie gestern Abend noch weg? Klang ja, als hätten Sie was Größeres vor.«
»Hab nur ein paar Bier mit Andy getrunken.« Er deutete mit einem Kopfnicken zum anderen Ende der Kneipe, wo Andy Stone, Sam Karim und eine Beamtin von der SO7 tief ins Gespräch versunken waren. »War schlau, dass ich nicht völlig versumpft bin, so früh, wie wir rausmussten.«
»Ich war auch nicht gerade stocknüchtern um vier
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