Tom Thorne 04 - Blutzeichen
aufgestiegen.«
Tughan nickte. »Er war clever, und Billy Ryan mochte ihn. Stephen Ryan behandelte ihn wie einen älteren Bruder …«
»Er leistete ziemlich gute Arbeit«, sagte Brigstocke.
Tughan korrigierte ihn. »Er leistete ausgezeichnete Arbeit, und jetzt, da er tot ist, sind wir schlechter dran als zuvor.«
»Moment mal«, sagte Thorne. »In zwei Jahren muss er doch eine Menge Beweismaterial gegen Ryan gesammelt haben.«
»Mehr als das, aber Moloney war der Hauptzeuge. Er wäre vor Gericht aufgetreten. Das Beweismaterial basierte auf den Gesprächen, die er geführt hatte, auf dem, was er gesehen oder gehört hatte. Ohne ihn haben wir so gut wie nichts in der Hand.«
»Was ist mit den Izzigil-Morden? Er wusste darüber Bescheid, oder? Es muss doch etwas geben …«
Tughan zupfte an seinem Kinn herum. Er war frisch rasiert, die Haut war noch gereizt, und Thorne entdeckte eine Stelle rotblonder Stoppeln neben dem Adamsapfel, die er übersehen hatte. »Er erfuhr es danach. Vorher hatte er nur mitgekriegt, dass etwas geplant wurde, konnte aber nicht herausfinden, wer umgelegt werden sollte und an wen der Auftrag ging.«
»Ryan konnte Moloney gut leiden, okay«, warf Brigstocke ein, »aber es gab andere, denen er mehr vertraute, wenn es um wirkliche Drecksarbeit ging.«
»Stephen?«, fragte Thorne.
»Ja, Stephen«, sagte Tughan, »und noch ein paar.«
Thorne stellte sich vor, wie schwierig diese Situation für DC Marcus Moloney gewesen sein musste. Sobald es mit den Morden losging, fand er sich in einer unmöglichen Lage. Natürlich wollte er herausfinden, wer auf Ryans Abschussliste stand, um seinen Kollegen von der SO7 einen Tipp geben zu können. Und natürlich wusste er ganz genau, dass er, wenn er in Dingen herumschnüffelte, die ihn nichts angingen, sich und seine Mission gefährdete.
Und danach – nachdem Muslum und Hanya Izzigil umgebracht worden waren – hatte er sich für ihren Tod mitverantwortlich gefühlt?
»Wir können Ryan noch immer drankriegen«, sagte Thorne.
Die beiden anderen Männer im Raum blickten Thorne erwartungsvoll an. Thorne hatte es immer weiter hinausgeschoben, doch nun war der perfekte Augenblick gekommen. Er hatte Chamberlain bereits gesagt, dass er mit ihren heimlichen Ermittlungen herausrücken musste. Obwohl er nicht damit gerechnet hatte, dass es eine derartige Bedeutung bekommen würde.
»Und wie?«, fragte Tughan.
»Ich habe einen Zeugen.«
Tughan lächelte. Der perfekte Augenblick war auch für ihn gekommen. »Ist das jetzt der Zeitpunkt, wo Sie mir von Gordon Rooker erzählen?«
Beinahe wäre Thorne die Kinnlade nach unten geklappt. » Was?«
»Sie müssen mich für verdammt blöd halten, Thorne. Der Quatsch von wegen ›Schuss ins Blaue‹, als wir bei Billy Ryan waren. Sie sollten mich nicht wie einen Idioten behandeln.«
»Moment …«
»Ich habe meine Hausaufgaben gemacht, hat mich nicht viel Schweiß gekostet. Ich weiß alles über Ihre Ausflüge ins Park Royal, allein und mit Ex-DCI Chamberlain.«
Thorne sah hinüber zu Brigstocke, der ihm zu verstehen gab, dass auch er darüber Bescheid wusste.
»Es hatte nichts mit diesem Fall zu tun«, sagte Thorne. »Es gab keine Verbindung.«
»Aber jetzt gibt es eine, ja?«
»Das versuche ich Ihnen ja zu erklären …«
»Und deshalb haben Sie gestern Abend Billy Ryan vor dem Spielsalon zugesetzt?« Tughan schien die Verwirrung zu genießen, die sich, wie Thorne wusste, auf seinem Gesicht breit machte. »Ich erfuhr es in dem Moment, als es passierte.«
Thorne ließ den gestrigen Abend Revue passieren. Er erinnerte sich, wie Moloney sich von ihnen entfernt und wütend in sein Handy gezischt hatte. Thorne hatte geglaubt, er rufe wegen des Autos an …
»Also schießen Sie los …«
Und so erzählte ihnen Thorne die ganze Geschichte, vom Anfang bis zum Ende. Er erzählte ihnen von den Anrufen bei Carol Chamberlain und von seinen Besuchen bei Gordon Rooker. Er erzählte ihnen von Jessica Clarke und von Rookers Enthüllungen, was den Täter anging. Er erzählte ihnen von Rookers Angebot …
»Warum hat er zwanzig Jahre gewartet?«, wollte Brigstocke wissen.
Es war die erste von vielen Fragen – Fragen, die sich aufdrängten. Thorne hatte sie sich selbst gestellt, und Gordon Rooker. Er wiederholte die Antworten, die er erhalten hatte: versuchte zu erklären, warum Rooker ein so abscheuliches Verbrechen eingestanden hatte; warum ein Mann wie er eine bessere Chance hatte, im Knast zu überleben als auf
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