Tom Thorne 04 - Blutzeichen
gingen hinüber zu einem Ecktisch. Von hinten eilte ein weiterer Gast nach vorne und gesellte sich zu ihnen. Sema brachte ihnen Kaffee und mit Zucker bestreute Plätzchen. Sie zündeten sich eine Zigarette an und unterhielten sich leise in einer Mischung aus Türkisch und Englisch.
Arkan Zarif brachte auf einem Teller Thornes Rechnung. »Sie bleiben noch für einen Kaffee?«
Thorne nahm sich eine türkische Süßigkeit vom Teller und studierte die Rechnung. »Nein, danke. Zeit zu gehen.« Er kramte in seinen Taschen nach Bargeld.
Zarifs Blick wanderte zu dem Tisch in der Ecke und wieder zurück zu Thorne. »Meine Söhne sind vorsichtig mit Polizei. Sie sind aufbrausend, ich weiß, aber sie halten sich raus aus Schwierigkeiten.«
Thorne aß seine Süßigkeit und kam zu dem Schluss, dass der Alte nur unwesentlich mehr in der Realität verankert war als sein eigener Vater. Er ließ einen Zehner und einen Fünfer auf dem Tisch. »Warum sind sie vorsichtig mit der Polizei?«
Zarif schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen. »Daheim in Türkei gab es Probleme. Nichts Ernstes. Memet war manchmal ein bisschen wild …«
»Sind Sie deshalb von dort weg und hierher gekommen?«
Zarif winkte entschlossen ab. »Nein. Wir sind aus ganz einfachem Grund hier. Türkische Leute möchten nur eines: Brot und Arbeit. Wir sind wegen Brot und Arbeit in dieses Land.«
Thorne stand auf und griff nach seiner Jacke. Er bedankte sich bei dem Alten, lobte das Essen und ging zur Tür. Man konnte für Brot arbeiten oder es jemand anderem wegnehmen.
Sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, er solle an dem Ecktisch vorbeigehen, aber in einem anderen Teil seines Gehirns klang noch immer sein Name nach.
Er bohrt sich in etwas hinein. Und man wird ihn nur schwer wieder los …
Die drei am Tisch verstummten und sahen ihn an. Der blaugraue Rauch von ihren Zigaretten stieg kräuselnd zur Decke hoch, schwebte um die Hängelampen wie die Manifestation eines Dutzends Flaschengeister.
Thorne deutete nach oben zu den Rauchschwaden, bevor er sich zu Memet Zarif beugte. »Wenn ich Sie wäre, würde ich anfangen, mir was zu wünschen …«
Er lächelte noch immer, als er zu seinem Auto ging, sein Handy herauszog und wählte.
»Dad? Ich bin’s. Hör mal, ich hab ein Superrätsel für dich. Ich glaube, wir können eine ganze Liste davon anlegen, wenn du willst. Aber fangen wir zum Einstieg mit einer Frage an. Hast du einen Schreiber? Okay, was für eine Art … Nein, so rum: Wo befindest du dich, wenn du eine gefüllte Prostituierte bestellst?«
Fünfzehntes Kapitel
Rooker wurde Anfang der Woche in das HMP Salisbury verlegt, eines der wenigen Gefängnisse landesweit, die über einen Trakt für Häftlinge im Zeugenschutzprogramm verfügten. Er erklärte, er sei höchst zufrieden mit der Verlegung. Jetzt hatte er nur eine Hand voll anderer Knackis um sich herum, und Pinsel waren weit und breit keine in Sicht.
»Wie hat Billy Ryan Sie angesprochen?«, fragte Thorne. »Wie kam das Gespräch darauf, Alison Kelly umzubringen?«
Der in einem hellen Gelb frisch gestrichene Verhörsaal war zweckmäßig, aber beileibe nicht so glamourös, wie der Name nahe legte. Wer immer die Räume geplant und ausgestattet hatte, übermäßig angestrengt hatte er sich nicht: ein Tisch, Stühle, Aufnahmegeräte, ein Aschenbecher …
Rooker räusperte sich. »Ich hab Ryan ein paar Mal getroffen.«
»Zum Beispiel, als Sie den ursprünglichen Auftrag für den Mord an Kevin Kelly erhielten?«
»Darüber spreche ich nicht.«
»Ryan hat Sie doch auch dafür geholt?«
»Ich dachte, das hätten wir hinter uns …«
»Schon eigenartig, dass er wieder auf Sie zukam, nachdem Sie den ersten Auftrag derart vergeigt hatten.«
Rooker lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Er sah aus wie ein trotziges Kind.
»Jetzt hören Sie mal zu«, sagte Thorne. »Das wird vor Gericht zur Sprache kommen. Ryans Anwalt wird Sie löchern.
Er wird alles tun, um Ihre Aussage unglaubwürdig wirken zu lassen. Sie sind schließlich nicht gerade ein Musterbürger.«
Rooker beugte sich langsam vor, zog seine Tabakdose heran und begann sich eine zu drehen. Er unterschied sich von Grund auf von dem Rooker, den Thorne vor einem Monat im Park Royal kennen lernte. Es war klar, dass er sich noch nicht von der Stecherei erholt hatte, aber ebenso klar war, dass sein großspuriges Auftreten nur ein Teil der Geschichte war. Thorne wusste, um im Gefängnis zu
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