Tom Thorne 04 - Blutzeichen
Mr. Ryans … Kreisen hätten vielleicht etwas weniger Angst.«
Zarif drückte die richtigen Knöpfe. Ryan beherrschte sich, aber seine Wut war ihm deutlich anzumerken.
Lange zehn Sekunden sagte niemand etwas. Thorne lauschte auf den Verkehrslärm von der nahen Autobahn, das Rattern eines Ventilators in einem der Abzugsschächte an der Decke. Das Wetter hatte sich in den letzten Tagen gebessert, und die Luft in dem Raum war trocken und abgestanden.
»Diese Morde, wer oder was die Opfer auch waren, sind einfach nicht hinnehmbar«, erklärte Jesmond schließlich. »Sie fügen den Menschen in vielen Gemeinden Schaden zu. Den Menschen und den Geschäften …«
Thorne schrieb und dachte sich: »Und sie schaden deinen Aussichten auf eine Beförderung …«
Ryan lächelte schmallippig. »Das kommt manchmal auf dasselbe raus.«
»Wie bitte?«, fragte Jesmond.
»Die Menschen und die Geschäfte.« Ryan beugte sich vor und fixierte Zarif, der ihm gegenübersaß. »Manchmal sind die Geschäfte die Menschen. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
Nun war es an Zarif, sich zu beherrschen. Ihm war klar, dass Ryan auf das Schleusen anspielte, auf den Lastwagendiebstahl. Er wandte sich an den Alten an seiner Seite und flüsterte ihm etwas auf Türkisch zu.
Als Zarif fertig war, übersetzte die Türkisch sprechende Beamtin für Jesmond. »Zuerst fluchte er«, fing sie an.
Thorne beobachtete Zarifs Gesichtsausdruck. Er war nicht überrascht.
»Mr. Zarif sagte, einige Leute sollten lieber nachdenken, bevor sie den Mund aufmachen … den Mund vor lauter Dummheit zu weit aufreißen.«
Thorne sah von Ryan zu Zarif in der vergeblichen Hoffnung, die beiden könnten auf den Tisch klettern und sich ineinander verkeilen. Los, macht schon, dachte er. Bringen wir es hier und jetzt zu einem Ende …
Jesmond bedankte sich bei der Polizeibeamtin. Thorne sah zu ihr, und ihre Blicke trafen sich. Er hatte ihren Namen vergessen. Sie war hier, um zu gewährleisten, dass jede belastende Aussage aufgezeichnet werden konnte, so wenig sie auch später verwendet werden durfte. Das war ihm klar. Genauso klar war ihm, dass man jede Hoffnung darauf fahren lassen musste, irgendjemand könnte irgendetwas von Bedeutung sagen. Bei dem ganzen anscheinend sinnlosen Unterfangen ging es darum, was nicht gesagt wurde.
»Wir müssen uns gemeinsam anstrengen«, bemerkte Jesmond und blickte sich in der Runde um, bis er zufrieden festgestellt hatte, dass jeder sich beherrschte.
»Dieses Treffen macht wenig Sinn«, sagte Brimson, »wenn mein Klient hier sitzen und sich Beleidigungen anhören muss.«
Brimson und Ryan saßen so dicht nebeneinander, dass ihre Arme sich berührten. Thorne fragte sich, ob sie wohl miteinander schliefen. Sicher, Brimson tat nur ihre Arbeit, aber irgendeinen Grund musste es doch geben, dass ihr nicht übel wurde. »Würde Mr. Ryan lieber hier sitzen und sich Beleidigungen anhören?«, sagte er.
Ryan blickte nicht einmal auf. »Sie Arschloch.«
Mit Unschuldsmiene wandte Thorne sich zu Jesmond. »Soll ich das aufschreiben …?«
»Ich möchte hier zwei Punkte klarstellen«, erklärte Jesmond. »Wir werden erstens, und verstehen Sie mich bitte nicht falsch, unsere Ermittlung bei den erwähnten Morden in keiner Weise herunterfahren.«
»In keiner Weise«, wiederholte Thorne.
Jesmond warf ihm einen Blick zu und nickte. »Einige von Ihnen wissen es sicher bereits, aber DI Thorne ist einer der direkt mit der Suche nach den Verantwortlichen beauftragten Beamten.«
Thorne war versucht zu winken.
»Zweitens möchte ich direkt an Sie appellieren.« Jesmond nahm die Brille ab und steckte sie in seine Brusttasche. »Wir möchten diese Form des Austauschs fortsetzen, zum Wohle aller. Im Auftrag des Commissioners appelliere ich direkt an Sie. Machen Sie Ihren Einfluss geltend. Als Geschäftsleute. Als tragende Säulen Ihrer Gemeinde. Tun Sie, was in Ihren Kräften steht, um weiteres Blutvergießen zu verhindern.«
Thornes Stift flog über das Blatt. Er konnte kaum mit Jesmonds Rede mithalten. Ihm war heiß, und er hatte Kopfweh.
Fünfzehn Minuten später klopfte die Bedienung und fragte, ob sie noch etwas Gebäck bringen solle, doch die Besprechung war bereits in Auflösung begriffen. Ryan und Zarif verließen den Raum innerhalb einer Minute, wobei sich jeder angeregt mit seinem Berater unterhielt.
Jesmond sammelte seine Unterlagen ein. »Wie ist es Ihrer Meinung nach gelaufen, Tom?« Er wartete die Antwort nicht ab, vielleicht
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