Tom Thorne 04 - Blutzeichen
weil er glaubte, er müsse zu lange darauf warten. »Ich weiß. Diese Art Treffen läuft nie richtig gut.« Er ließ seine Aktentasche zuschnappen. »Wir können nur hoffen, dass sie uns wenigstens etwas bringt.«
Thorne kannte die Antwort: einen Krampf in der Schreibhand, mehr nicht …
Gründlich wie in allem, was sie tat, schob Carol Chamberlain ihren Wagen systematisch durch die Gänge, ohne einen auszulassen – an einem kleinen Stau bei den Kassen vorbei Richtung Putzmittel, Küchenrollen und Toilettenpapier.
Grinsend tauchte Jack neben ihr auf und legte ganze Berge Einkäufe in den Wagen. »Brauchen wir Hundefutter?«, fragte er.
Chamberlain nickte und sah ihrem Mann nach, wie er den Gang entlangeilte und um eine Ecke verschwand. Sie schob den Wagen langsam weiter, holte sich aus den Regalen, was sie brauchte. Hochfassen, reinlegen, weiterschieben. Systematisch, in Gedanken ganz woanders …
»Wenn wir Ryan drankriegen, erzählt er uns, wer vor zwanzig Jahren das Geld kassiert und Jessica angezündet hat. Er wird mir einen Namen nennen.«
Thorne hatte ihr sein Versprechen gegeben. Er hatte gesagt, er würde den Verantwortlichen für das finden, was vor zwanzig Jahren passiert war. Er hatte gesagt, er würde ihren Fehler wieder gutmachen.
Er hatte gesagt, was sie seiner Meinung nach hören wollte.
Das war vor mehr als zwei Wochen gewesen, in seiner Wohnung, und seither hatte sie Thorne nicht mehr gesehen.
Das letzte Telefonat lag beinahe ebenso lange zurück. Natürlich hatte er zu tun, das war ihr klar. Er hatte anderes zu tun, als sie auf dem Laufenden zu halten.
Hochfassen, reinlegen, weiterschieben …
Ihr kalter Fall aus dem Jahr 1993, der Mord an dem Buchhalter, steckte fest. Er war kalt, und er ließ sie kalt. Keine gute Ablenkung.
Natürlich war es Jack so lieber. Er genoss die Ruhe am Abend, die Tatsache, dass sie nichts mit nach Hause brachte. Er war glücklich darüber, dass sie überhaupt selten von zu Hause wegmusste. Sie liebte ihn so sehr und wusste, dass er nur deshalb so fühlte, weil er sie ebenso liebte. Sie wäre verloren ohne ihn, hilflos ohne den Anker seiner Fürsorge. Aber so, wie sie sich jetzt fühlte, seit das alles begonnen hatte, begann dieser Anker sie nach unten zu ziehen.
Wann war es endlich vorbei?
Hochfassen, reinlegen, weiterschieben …
Auf Tom Thorne hatte sie all ihre Hoffnung gesetzt. So blieb ihr keine andere Wahl. Doch sosehr Chamberlain ihn mochte und respektierte, sosehr hasste sie das Gefühl, jemandem zu Dank verpflichtet zu sein. Es nicht selbst in der Hand zu haben.
Sie hasste es.
Sie wollte ihren Wagen voll laden, mit einem Berg Flaschen und Dosen, und brüllend den Gang hinunterdonnern. Sie wollte zusehen, wie die Familien und Regaleinräumer die Flucht vor ihr ergriffen. Sie wollte das Rattern des Wagens hören und das Kreischen der Sprechanlagen, wenn sie an den Kassen vorbeirasen und das Personal platt machen, gegen die riesigen Fenster krachen würde …
Die Hundefutterdosen an die Brust gedrückt, hastete Jack auf sie zu. Kaum waren sie scheppernd in den Wagen gefallen, hakte sie sich bei ihm ein. Gemeinsam bogen sie in den nächsten Gang ein.
23. August 1986
Das neue Album von den Smiths ist der Wahnsinn. »Bigmouth Strikes Again« ist drauf, und Dad steckt noch immer seinen Kopf in mein Zimmer, wenn er es hört, und lacht, wenn die Zeile mit »Joan of Arc« kommt.
Ali hat einen festen Freund! Sie lernte ihn in irgendeinem Club kennen. Keine Ahnung, seit wann sie in Clubs geht oder mit wem sie dorthin geht. Also anscheinend hat dieser Typ sie einfach angesprochen und sie auf einen Drink eingeladen. Ich hab ihn neulich kennen gelernt und fand ihn ganz nett. Aber als er hallo sagte, so als ob alles ganz normal wäre, schaute er ständig zu Ali, damit sie auch ja sah, wie »einfühlsam« und toll er ist.
Keine Ahnung, was zwischen ihnen läuft .
Es gibt noch einen Typen, in den sie auch verknallt ist. Ali verknallt sich jede Woche in einen anderen. Dieser Typ ist viel älter als sie, und ehrlich gesagt glaube ich, dass sie genau deshalb so scharf auf ihn ist. Außerdem hat er mit ihrem Vater gearbeitet, das heißt, er hat wahrscheinlich einen Spitznamen wie Ron, »Der Schlächter«, oder was in der Richtung. Ali hat schon immer Witze darüber gerissen, dass sie mit einem dieser Typen anbandeln möchte, einem Freund ihres Vaters. Also mit ihm flirten und den. Spruch anbringen: »Ist das eine Knarre in deiner Hose, oder freust du
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