Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
Geschichte formulierten, die sie später beim Essen oder im Pub zum Besten geben wollten. Immer wenn Thorne die Verkehrsnachrichten hörte, fragte er sich, warum der Sprecher nicht einfach die Wahrheit sagte. Und den wahren Grund nannte, der Stau sei entstanden, weil alle Schaulustigen langsamer fuhren, um den Unfall besser zu sehen. Er hob den Kopf, als neben ihm Plastikhosenbeine raschelten, und rutschte zur Seite, um Porter Platz zu machen.
»Hat Holland dir das Leben schwer gemacht?«, fragte sie.
»Der wird sich hüten.«
Porter schien darüber reden zu wollen, was beinahe in seiner Wohnung passiert wäre. Aber er gab ihr zu verstehen, dass ihm nicht der Sinn danach stand. Ob er wohl lieber mit ihr darüber geredet hätte, wenn tatsächlich etwas passiert wäre?
»Ich habe mit Hendricks gesprochen«, sagte sie. »Ich finde, wir sollten Freestone zumindest fragen, wo er Freitagabend gewesen ist.«
»Und warum sollten wir das?«
»Zum Beispiel weil wir niemanden sonst haben, der nur annähernd als Verdächtiger in Frage kommt.«
Thorne zuckte die Achseln. »Wir können fragen.«
»Zehn Pfund darauf, dass er sagt, er war bei seiner Schwester, oder?«
»Wahrscheinlich. Aber ob Freestone nun ein Alibi hat oder nicht, hier handelt es sich um denselben Mann, der Allen und Tickell umgebracht hat. Es muss derselbe Mann sein. Derselbe Mann, der Luke gefangen hält.«
Im Haus nebenan ging im ersten Stock ein Licht an. Thorne schaute auf die andere Straßenseite und sah, dass auch hier bereits etliche Lichter im Erdgeschoss brannten. Soviel dazu, dass es keine Schaulustigen geben würde. In London gab es anscheinend immer Zuschauer. Blieb nur zu hoffen, dass sich bei der Haus-zu-Haus-Befragung morgen jemand fand, der vor vierundzwanzig Stunden ähnlich aufmerksam war.
»Okay, die Frage nach dem Täter bringt uns offensichtlich nicht weiter, gibt’s geniale Ideen zum Motiv?«
Geniale Ideen! Eher Vermutungen und Spekulationen.
»Hast du einen Blick ins Gästezimmer geworfen?«, fragte Thorne.
Ihm waren die drei abgenutzten Metallaktenschränke im zweiten Schlafzimmer aufgefallen, und ihr Anblick hatte ihn an etwas erinnert, was Callum Roper erwähnt hatte. Wer wohl am ehesten die Unterlagen zu den MAPPA-Sitzungen damals 2001 aufgehoben hatte. Er teilte Porter die Theorie mit, die gerade in seinem Kopf Gestalt anzunehmen begann.
Nach ihrer Reaktion zu schließen hatte sie, was Spekulationen anging, schon Wilderes gehört. »Du glaubst, sie ist umgebracht worden, weil sie etwas gewusst hat?«
»Oder besessen hat. Vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein. Nur so eine Idee …«
»Das Problem ist nur, dass wir schlecht feststellen können, was in diesen Aktenschränken fehlt, wenn wir nicht wissen, was sich darin befand.«
»Ich hab kurz in einen hineingeschaut. Da ist jede Menge Zeug drin. Wir können uns das später gezielt vornehmen, wenn die Spurensicherung fertig ist. Wenn wir nichts über Freestone oder das MAPPA-Projekt von 2001 finden, sollten wir überprüfen, ob diese Unterlagen früher hier waren.«
»Dann müssten wir uns an jede Abteilung im Sozialamt wenden, für die sie je gearbeitet hat«, seufzte Porter, als sei ihr soeben eingefallen, was für ein Tag heute war. »Da werden wir am Sonntag nicht viel Glück haben.«
»Ich würde auch nicht drauf setzen, dass die selber noch Kopien von diesen Unterlagen haben«, sagte Thorne. »Nicht wenn das stimmt, was Roper gesagt hat. Aber sie könnten wissen, was Bristow bei ihrer Pensionierung mitgenommen hat, oder uns zumindest bestätigen, ob sie Unterlagen bei sich zu Hause aufbewahrte.« Schon während er darüber sprach, erschien Thorne das Ganze vage und vor allem zeitaufwändig. Obwohl sie inzwischen drei Morde aufzuklären hatten, gab es noch immer den Jungen, dessen Sicherheit und rasche Befreiung theoretisch ihre Hauptaufgabe war.
Ein Junge, der theoretisch noch am Leben war.
Porter dagegen schien Thornes Idee einen richtiggehenden Energieschub verliehen zu haben. Während Thorne nur hoffen konnte, dass er nicht so übel aussah, wie er sich fühlte, war ihr nichts davon anzumerken, dass sie seit fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen war.
»Vielleicht ist Freestones Verbindung mit dieser MAPPA-Sache entscheidend«, schlug sie vor. »Und nicht seine Drohungen, bevor er ins Gefängnis ging.«
Drei Morde …
»Irgendetwas ist irgendjemandem sehr, sehr wichtig«, sagte Thorne.
»Was ist mit Luke?«
Es gab Vermutungen und reine
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