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Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders

Titel: Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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nicht ganz dem Bild in seinem Kopf: Die blonden Haare lagen glatt am Kopf an, wie es zu einer Oktobernacht passte, in der es schüttete. Aber das Gesicht darunter passte wie aufs i-Tüpfelchen.
    Das war Adrian Farrells Gesicht.
    »Scheiße … Scheiße!« Auf den ersten überraschten Aufschrei war schnell ein zweiter, um einiges schärferer gefolgt. Und der Ärger galt nur ihr selbst. »Butler’s Hall!«
    »Ich weiß, wer hätte daran gedacht?«
    »Wir hätten daran denken sollen«, fuhr Kitson ihn an. »Wir hätten verdammt noch mal daran denken müssen.«
    Butler’s Hall war ein paar Kilometer von der Straße entfernt, auf der Amin Latif das Leben verlor, aber sie war keineswegs zu weit entfernt. Die Schule lag sehr wohl innerhalb des dicken roten Kreises, der auf der Landkarte in der Einsatzzentrale eingezeichnet war. Die übliche Vorgehensweise eben. Sicher hatte es Plakate gegeben, die um Mithilfe baten. Gut möglich, dass auch einige Schüler in das Adressenraster fielen und bei Haus-zu-Haus-Befragungen erfasst wurden. Natürlich wäre es auch möglich gewesen, jeden einzelnen Schüler jeder einzelnen Schule in der Gegend zu befragen, und viele waren auch befragt worden. Aber darauf, dass darunter besonders viele Schüler von Butler’s Hall gewesen wären, hätte Yvonne Kitson nichts gesetzt.
    Stillschweigende Annahmen waren nun mal stillschweigend. Und rassistische Schläger gingen nicht auf Privatschulen.
    »Wie war er, Dave? Ich meine nicht vom Aussehen …«
    »Arrogant, aggressiv. Von sich überzeugt.«
    »Und Sie sind sich sicher, dass Sie das nicht einfach hineininterpretiert haben? Dass Sie das Verhalten des Jungen nicht nur in dieses Schema gepresst haben, weil es zu Ihrem Verdacht passte?«
    »Der Verdacht ist mir erst später gekommen«, sagte Holland. »Ich hab dieser Ratte nachgeschaut, als sie von uns weggegangen ist, und als sich der Junge umgedreht hat, ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen – das ist der Kerl auf dem Bild. Der Kerl mit dem Ohrring.«
    Kitson schwieg. Holland hörte, wie sie an ihrem Kaffee nippte, schluckte, zu einem Entschluss kam. Mit einem Anflug von Panik stellte er fest, dass er früher zugesehen hatte, wie sie, Brigstocke und die anderen, derartige Entscheidungen aus dem Munde Tom Thornes beurteilten. Er hatte auch das Fiasko danach gesehen, wenn sich diese selbstsicher getroffenen Entscheidungen als fatale Fehlentscheidungen erwiesen.
    »Okay«, sagte Kitson.
    Holland war sich nicht bewusst gewesen, dass er den Atem angehalten hatte. »Was machen wir?«
    »Sie arbeiten weiter an dem Kidnapping-Fall, soweit ich informiert bin, aber ich werde mir den Knaben mal genauer ansehen.«
    »Möchten Sie ihn vorladen?«
    »Ich will ihn zuerst sehen. Ich möchte wissen, ob Ihre Aufregung berechtigt ist.«
    Holland hatte Angst gehabt, seine Überzeugung könne Schaden leiden, wenn er mit Kitson oder jemand anderem darüber sprach. Doch das Gegenteil war eingetreten. Als er jede Einzelheit des Gesprächs mit Adrian Farrell wiedergab, als er den Blick beschrieb, mit dem der Junge Kenny Parsons abgefertigt hatte, wurde er sich nur noch sicherer. Und jetzt, nachdem ihre anfängliche Verärgerung verflogen war, hörte er auch aus Kitsons Stimme eine gewisse Aufregung heraus.
    Und sie hatte jedes Recht, aufgeregt zu sein.
    Einen Mörder zu finden war natürlich das eine, ihn zu überführen jedoch etwas ganz anderes. Doch genau das, was diesen Mord so besonders barbarisch machte, war zugleich ihre Chance, das zu erreichen.
    Bevor man ihn totgetreten hatte, war Amin Latif das Opfer eines schweren sexuellen Übergriffs geworden. Man hatte auf seinem Körper Sperma gefunden und so die DNS des Täters festgestellt. Nun befand sich die Doppelhelix, durch die der Mörder identifiziert werden konnte, auf einem gefrorenen Objektträger in einem FSS-Labor in Victoria und wartete mit jeder Buchstabenabfolge auf der elegant geschwungenen Leiter auf ihren Gegenpart.
     
    Im Erdgeschoss hatte man das Gefühl, sich nach einer schönen Beerdigung bei einem unschönen Leichenumtrunk wiederzufinden. Derart verzweifelt war die Stimmung.
    In den meisten Räumen, in denen bereits das Licht brannte, da es draußen dämmerte, gab man sich große Mühe, wenigstens halbwegs so etwas wie ein Gespräch und einen Anschein von Normalität am Leben zu erhalten und somit das Grauen zu bannen, das jeden Augenblick über das Haus hereinzustürzen drohte wie ein schwarzer, angeschwollener Fluss, der die

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