Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
hab, als wäre ich drauf gestanden. Der Arsch war nicht mal dabei … diese Fotze. Redet Scheiße, um sich bei euch einzuschleimen. Ich sag euch eins, lasst bloß die ganzen Scheißmesser aus der Scheißküche verschwinden. Neil, ich sag dir …«
Warren führte den Jungen zu dem kleinen Küchentisch. Er setzte ihn unter das Poster, auf dem in großen Lettern stand: »THIS IS NOT A DRESS REHEARSAL.« Hilfreich für alle, die ihren Aufenthalt hier mit einer Generalprobe zu verwechseln drohten. Er sprach mit dem Jungen, als wären Holland und Heeney nicht anwesend. Anfangs sanft, so dass der Junge sich beruhigte, dann wurde sein Ton bestimmter. Er erklärte ihm, dass er sehr gut verstehe, wie ärgerlich es sei, blöd angemacht zu werden. Aber dass Andrew sich absolut korrekt verhalten habe. Es verstoße gegen sämtliche Regeln, positiv über Drogen zu sprechen, als würde man sie vermissen oder ihnen nachtrauern. So komme man nicht weiter.
»Das ist stinking thinking, Danny, das weißt du genau. Stinking thinking …«
Gedanken, die stanken, dieser Ausdruck erinnerte Holland an etwas. Das waren Modewörter, mit dem schrecklichen Beigeschmack amerikanischer Selbsthilfegruppen. Aber es hatte was. Holland nahm sich vor, Thorne davon zu erzählen, der es sicherlich komisch fände.
Stinking thinking.
Ohne wären sie beide arbeitslos.
Nicht Panik stand Jane Freestone ins Gesicht geschrieben, sondern pure Überraschung, als sie die Tür öffnete. Und sah, dass es nicht die Zeugen Jehovas waren, die ihr samstags morgens um halb zehn Uhr einen Besuch abstatteten.
»Ich hab gedacht, ihr hättet aufgegeben«, sagte sie. »Und endlich kapiert, dass ihr hier nur eure Zeit verschwendet, und angefangen, jemand anders einmal im Jahr zu nerven.«
Nun war es an denjenigen mit dem Polizeiausweis in der Hand, überrascht auszusehen, während Jane Freestone eine verärgerte Schnute aufgesetzt hatte. Thorne hatte den Eindruck, dass der Sarah-Hanley-Fall, zumindest was Grant Freestone betraf, nicht mehr kalt, sondern bereits tiefgefroren war. Nach einem knappen Wortwechsel an der Tür wurden er und Holland widerwillig nach drinnen gebeten.
Sie gingen einen schmalen Gang entlang, der voller gerahmter Drucke von Sonnenuntergängen und schneebedeckten Gipfeln hing. An einer geschlossenen Tür war mit Tesa ein Schild – »Billys Zimmer« – geklebt. Dahinter war ein Fernsehgerät zu hören und der Lärm von Spielzeug, das durch die Gegend geworfen wurde. Als sie an der Küche vorbeikamen, roch es nach dem chinesischen Takeaway vom letzten Abend.
Nach ein paar Minuten in Jane Freestones Wohnung – einer Dreizimmerwohnung in einem Sozialbau in Brentford – war Thornes Fahrt in die Arbeit bereits in weite Ferne gerückt, eine liebe Erinnerung. Er war früher aufgebrochen als nötig und leise aus der Wohnung geschlüpft, um Hendricks nicht zu wecken, und hatte die längere Route durch Highgate und Hampstead genommen. Die Straßen waren so gut wie leer gewesen. Als er durch Golders Green an Heath vorbeifuhr, war der wolkenlose Himmel vor ihm in rosa Licht getaucht.
Schon da war ihm klar gewesen, dass es mit dem Tag von nun an nur bergab gehen konnte.
Der Blick aus dem Fenster auf die M4 und das Industriegebiet war nur einen Tick düsterer als die Wohnung selbst, und die Laune der Mieterin stellte beides in den Schatten. Thorne war bereits einigen Leuten übel auf die Zehen getreten, allerdings war es eine Weile her, dass ihm derartiger Hass entgegenschlug. Nicht dass die Frau laut wurde, aber ihr Ton war unmissverständlich. Jedes Wort, das sie ausspuckte oder flüsterte, war pures Gift. Sie hatte ihnen gesagt, sie habe nicht viel Zeit, weil sie ihre Kinder noch anziehen müsse. Sie hatten sie gefragt, was sie mit ihrer Bemerkung an der Tür gemeint hatte, worauf sie ihnen erklärte, dass der jährliche Polizeibesuch im vorigen Jahr ausgefallen sei, weshalb sie seit achtzehn Monaten mit keinem »von euch Arschlöchern« gesprochen hatte. Porter klärte sie auf, Thorne und sie seien Arschlöcher aus einer anderen Abteilung, und Grants Name sei in einem völlig anderen Zusammenhang aufgetaucht.
»Noch was, was ihr ihm in die Schuhe schieben könnt?«
»Sie glauben, man hat Ihrem Bruder den Mord an Sarah Hanley in die Schuhe geschoben?«, fragte Porter.
Freestone schüttelte den Kopf und grinste dabei, als seien Thorne und Porter dumm wie trocken Brot. Sie war Anfang dreißig, groß und vollbusig. Die dunklen Haare trug sie streng
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