Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
nach hinten gebunden. Thorne hätte sie in ihrer harten, spröden Art vielleicht sogar sexy gefunden. Vielleicht, wenn sie einen anderen Morgenmantel getragen, und er seit zwanzig Jahren mit keiner Frau mehr geschlafen hätte.
»Wollen Sie damit sagen, dass ein oder mehrere Polizisten Ihren Bruder zum Hauptverdächtigen machten, weil sie keinen anderen finden konnten?«
»Ich sag gar nichts.«
»Oder dass sie für den Mord verantwortlich waren?«
Sie zog ein verknülltes Papiertaschentuch aus der Morgenmanteltasche und putzte sich mit einer Ecke ein Nasenloch. »Da war so ein seltsamer Bulle, der hätte garantiert nichts dagegen, wenn sie Grant wieder einlochen.« Sie stopfte das Taschentuch wieder in die Tasche. »Sagen wir es mal so.«
Thorne widerstand der Versuchung, zu Porter zu sehen, und spürte, dass es ihr ebenso ging. »Ich nehme an, Sie haben nicht vor, uns zu sagen, welchen Bullen Sie meinen.«
Hatte sie nicht.
Thorne und Porter standen, aber Freestone hatte sich, als sie ins Wohnzimmer kamen, sofort in den Sessel gegenüber dem großen Flachbildschirm fallen lassen. Sie hatte ihn eingeschaltet, aber den Ton abgestellt, und schaute nun die meiste Zeit auf den Fernseher.
»Warum ist er abgehauen, Jane, wenn er Sarah nicht umgebracht hat?«
Sie hatte irgendeinen obskuren Kabelkanal eingeschaltet. Jedes Mal, wenn Thorne hinsah, wurde jemand durch ein Haus geführt.
»Weil er wusste, dass sie versuchten, ihm etwas anzuhängen, und er nicht wieder eingelocht werden wollte. Auch wenn es wegen was anderem war, im Knast hatten sie ihn als Kinderficker abgestempelt.«
»Abgestempelt?«, sagte Thorne. »Diese Kinder in der Garage hat man ihm doch nicht auch untergeschoben.«
Freestone ignorierte die Spitze und starrte in die Glotze, als könne sie Lippenlesen.
»Finden Sie nicht, es wäre besser für ihn gewesen, hierzubleiben, falls er es wirklich nicht war«, sagte Porter.
»Hören Sie auf mit dem scheiß ›falls‹.« Sie wirbelte herum, als wolle sie gleich zuschlagen. »Grant war bei mir, als seine Freundin umgebracht wurde. Wir waren mit meinen Kindern im Park.« Sie deutete den Gang hinunter. »Fragen Sie doch die Jungen.«
Leicht gesagt, wenn ihr ältestes Kind acht Jahre alt war. Was immer die Kinder antworteten, wäre nicht aussagekräftig. Wie sollten die beiden Jungen sich an etwas erinnern, das passiert war, als sie beide noch kaum reden konnten.
Porter hob die Hand und wartete kurz, bevor sie es erneut versuchte. »Wäre es nicht besser gewesen, er hätte versucht, seine Unschuld zu beweisen?«
Der Blick, mit dem Freestone Porter bedachte, bevor sie sich wieder dem Fernseher zuwandte, machte klar, dass sie sich nun sicher war, dass sie beide einen Knall hatten.
»Hat Grant gedacht, man wolle ihm was anhängen?«, fragte Thorne.
»Jetzt raten Sie mal.«
»Hat er das damals so gesagt? Haben Sie ihn noch einmal gesehen, bevor er verschwunden ist?«
»Ich hab ihn seit fünf Jahren nicht mehr gesehen.«
»Niemand unterstellt Ihnen, dass Sie ihn unter Ihrem Bett verstecken, aber Sie beide sind doch sicher irgendwie in Kontakt.«
»Sind wir das?«
Thorne trat zu dem Sessel. »Er ruft Sie an, schreibt Ihnen, irgendwas in der Richtung. Denkt er das noch immer?«
Freestone stemmte sich hoch und wartete darauf, dass Thorne ihr den Weg frei machte. »Ich geh pinkeln. Dann können Sie herumschnüffeln.« Sie deutete auf die Tür. »Mein Bett ist da drin, für den Fall, dass Sie drunter nachschauen wollen …«
Sobald sie weg war, sobald sie den Riegel in der Toilette hörten, kamen Thorne und Porter Freestones Aufforderung nach. Sie bewegten sich schnell und fast geräuschlos durchs Zimmer, machten sich durch ein Flüstern oder ein Nicken gegenseitig auf interessante Funde aufmerksam. Auf einem niedrigen Glastisch neben dem Fernseher lagen Fotos: Jane Freestone und ein Mann, den Thorne als ihren Bruder erkannte. Beide lächelten schon ein paar Sekunden zu lange. Der Urlaubsschnappschuss eines gut gebauten Mannes mit bräunlichen Haaren und einem Schnauzer, der in einem Poloshirt und einer Shorts auf einem Balkon saß und mit einem Glas Bier in der Hand in die Kamera grinste. Freestones Kinder auf einem Spielplatz, wie sie auf die Kamera zurannten. Porter warf einen Blick auf die Zeitschriften: eine Klatschzeitschrift, eine Autozeitung und ein Magazin voller nacktbusiger Schönheiten. Thorne überflog die von einer Klammer zusammengehaltenen Rechnungen, die neben der Stereoanlage lagen.
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