Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
nicht exorbitant.«
»Könnte noch eine Nachforderung wegen einer Lebensmittelvergiftung dazukommen«, sagte Holland.
Brigstocke erzählte ihnen, Hendricks habe die erste Macken-Sektion für diesen Vormittag angesetzt und, da sie bereits eine DNA-Übereinstimmung hatten, das FSS gebeten, der Untersuchung der beiden Röntgenschnipsel Vorrang einzuräumen. Vielleicht brachte sie das ja weiter.
»Die Chance besteht«, sagte Thorne. »Er lässt sie für uns zurück, also will er, dass wir herausfinden, worum es geht.«
»Oder er will, dass wir unsere Zeit damit vergeuden«, fügte Holland hinzu.
Im Hintergrund klingelte ein anderes Telefon, und es gab eine Unterbrechung, als Brigstocke abnahm. Anschließend waren ein, zwei Minuten lang Stimmen über den Lautsprecher zu hören.
»Ist das Ihre Meinung?«, fragte Holland Thorne. »Dass er sie für uns zurücklässt? Oder ist es … ein Ritual?«
Bevor Thorne antworten konnte, dass er keine Ahnung hatte, wurde er von dem Auto hinter ihnen abgelenkt. »Schau dir diesen Idioten dahinten an«, sagte er. Er starrte in den Rückspiegel und trat ein paarmal heftig auf die Bremse, bis es der Typ seiner Meinung nach kapiert hatte.
Brigstocke war wieder am Telefon. Er fragte sie, wo sie seien, und meinte, sie sollten gar nicht erst ins Büro fahren. »Kommt direkt in die Holloway Road«, sagte er. Er erklärte, sie wären in den Studentenwohnheimen von Tür zu Tür gegangen und hätten ein paar Leute gefunden, die am Samstagabend im Rocket Club waren. »Sparen wir uns die Zeit und befragen wir sie gleich alle auf einmal.«
»Erscheint mir sinnvoll«, meinte Thorne. Außerdem hätten sie so Gelegenheit, sich den Ort anzuschauen, an dem Greg oder Alex Macken zuletzt lebend gesehen worden waren, wenn man von ihrem Mörder absah.
Brigstocke hatte einen noch triftigeren Grund. »Ein paar gaben an, sie hätten den Bruder an der Bar mit einem Mann sprechen sehen, mit dem er wohl auch später verschwand.«
»Klingt vielversprechend«, meinte Holland.
»Na ja, keine Ahnung, wie nüchtern unsere Zeugen da noch waren, aber vielleicht macht’s ja die Masse und
wir bekommen eine brauchbare Beschreibung. Mit etwas Glück … vielleicht sogar mehr.«
Thorne sah zu Holland. »Kameras …«
»Sie Schlaumeier«, sagte Brigstocke. »Ja, Yvonne ist schon unterwegs, um zu checken, ob uns die Videoüberwachung weiterhilft.«
»Muss sich jetzt wahrscheinlich Stunden über Stunden mit auf der Treppe kotzenden Studenten und in dunklen Ecken vögelnden Pärchen reinziehen«, sagte Holland.
Thorne lachte. »Dann gibt’s garantiert jede Menge Freiwillige.«
»Vielleicht lasse ich mir sogar selbst eine DVD ziehen«, sage Brigstocke, bevor er auflegte. »Um sie meiner Frau zu zeigen, wenn mein Ältester meckert, er möchte auf die Uni.«
Ein paar Kilometer weiter wurde der Verkehr dichter, als sie sich der Ausfahrt zur M25 näherten, und Thorne musste den BMW in den ersten Gang runterschalten. Er schlug im Takt zu dem Song im Radio auf das Lenkrad, vielleicht ein wenig härter als sonst.
»Warum fahren wir nicht auf dem Seitenstreifen?«, fragte Holland.
Thorne erklärte, dass sie trotz des Staus schnell genug vorwärtskämen, sobald sie an der Abzweigung vorbei wären. Dass die Studenten noch da wären und dass er nicht wirklich scharf darauf wäre, geblitzt zu werden und die nächsten Wochen damit zu verbringen, Briefe zu schreiben, in denen er erklärte, er sei dienstlich unterwegs gewesen.
»War ja nur eine Idee«, sagte Holland.
Thorne sah in den Spiegel und ordnete sich rechts ein, überlegte es sich und ließ die Scheibenwischer schneller arbeiten, als es stärker regnete, aus einem Himmel, der plötzlich aussah wie weißer Zement.
Als er sie so blass, halb angezogen und mit Haaren wie Scheiße vor sich sitzen sah, war es für Thorne nur schwer vorstellbar, wie die Studenten ausgesehen hatten, als die Polizisten um halb acht Uhr früh an ihre Tür klopften. Noch während er das dachte und Holland dabei zusah, wie er ihre Namen notierte, hörte er sich im Geist einen Witz darüber reißen, dass er allmählich wie sein Vater wurde. Bevor er gestorben war natürlich und bevor die Alzheimer-Krankheit überhandnahm. Damals, als der Alte noch einen Satz rausbekam, ohne die Leute vor den Kopf zu stoßen.
Louise hatte Thornes Vater nie kennengelernt, aber sie hatte genug über ihn gehört, um Thorne damit aufzuziehen, dass er sich immer mehr wie sein Vater benahm. Thorne verteidigte
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