Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
worden, das nach Michael Bolton klang, aber auch ein tödlich verwundetes Raubtier hätte sein können. Der Wein war recht süffig, und Thorne freute sich über Hollands Bemerkungen, weil er einen Rosé trank. Thorne erklärte ihm, dass Louise seit neuestem Rosé kaufte und dass er gelesen habe, der sei im Moment absolut in.
»Und so was von schwul«, sagte Holland.
Thorne hätte vielleicht einfließen lassen, dass diese Art von Kommentar Phil Hendricks auf die Palme brachte, wenn das nicht genau die Art von Kommentar gewesen wäre, wie Hendricks sie selbst gern abgab. Stattdessen schob er sein leeres Glas über den Tisch und erinnerte Holland daran, dass die nächste Runde auf ihn ging. Ein paar Minuten später kam Holland mit einem Glas Wein, einem Bier und vier Päckchen pissefreier Chips zurück.
»Fühlen Sie sich nicht ein klein wenig schuldig?«, fragte
Holland. »Wegen Paice, mein ich. Er hatte von der Garvey-Sache offensichtlich nicht den blassesten Schimmer.«
»Offensichtlich? Ich weiß nicht.«
»Haben Sie sein Gesicht gesehen?«
Thorne zögerte. »Kann sein, dass seine neue Freundin und er sich diese Geschichte ausgedacht haben.«
»Warum sollten sie das tun?«
»Woher soll ich das wissen.«
»Falls das so ist, haben sie sich einen Oscar verdient.« Holland trank von seinem Bier. »Wer sagt außerdem, dass sie seine neue Freundin ist?«
»Das war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, als ich reinkam.«
Holland schüttelte den Kopf. »Auf die Idee bin ich nicht gekommen. Manche Leute sind schon extrem misstrauisch und denken immer nur das Übelste.«
»Lässt sich schwer vermeiden.«
»Finden Sie, das macht einen guten Bullen aus?« Holland lächelte, aber es klang nicht so, als meine er das als Scherz. »Oder einen schlechten?«
»Wahrscheinlich erkennt man daran, wer den Job schon zu lange macht«, sagte Thorne.
Holland beugte sich vor zu den Chips, aber die Päckchen waren leer. »Und wann hörten Sie auf, im Zweifel für den Angeklagten zu sein?«
»Das ist die Aufgabe der Geschworenen, nicht meine.«
»Im Ernst jetzt.«
»Ich glaube, ich habe das nie getan.« Thorne trank von seinem Wein. Er schmeckte etwas süßer als der, den Louise bei Sainsbury kaufte. »Wenn man davon ausgeht, dass jeder ein Arschloch ist, wird man nicht enttäuscht.« Er sah hinüber zu der Frau an der Bar, die in ihre Richtung blickte.
Er lächelte und wandte sich wieder zu Holland. »Okay, ich geb’s zu, ich fühl mich ein klein wenig schuldig. Und ich komm mir dumm vor, weil ich gedacht habe, die Sache mit Jamie Paice wäre vielleicht wichtig.«
»Hätte sein können«, sagte Holland. Er hob sein Glas. »Und dann würden wir jetzt mit was anderem auf unseren Erfolg anstoßen.« Er schwenkte sein Glas und betrachtete das Bier darin. »Wir müssen jede Spur verfolgen, bis wir Glück haben oder dieser Typ einen Fehler macht.«
»Hoffentlich hat er schon einen gemacht«, sagte Thorne. »Ich will nicht noch mehr von diesen Röntgenbildteilchen sehen.«
Ein paar Minuten später fragte Holland: »Und warum sind wir wirklich hier?«
»Das versteh ich jetzt nicht.«
»Warum sind wir nicht zu Hause, sondern sitzen in diesem Dreckloch.« Er sagte das so, als warte er auf eine Beichte Thornes, dass Louise sauer auf ihn ist oder er sich ein fades Abendessen im Freundes- oder Familienkreis ersparen wollte. Eine Geschichte, über die er lachen oder bei der er Mitgefühl zeigen und ungläubig den Kopf schütteln konnte darüber, was einem die Mädels alles zumuteten. »Ist schon gut«, sagte er. »Sie müssen nicht antworten.«
Thorne rang nach einer Antwort. Es gab einen Grund dafür, warum er nicht nach Hause wollte, den er nicht zu fassen bekam, wegen dem er sich aber nichtsdestotrotz schrecklich schuldig fühlte. Selbst wenn er die richtigen Worte dafür gefunden hätte, hätte er nur ungern mit Holland oder jemand anderem darüber gesprochen. »Hab ich doch schon gesagt.« Sein Gähnen kam gerade recht, und mit ein bisschen Übertreibung wirkte es noch besser. »Ich bin einfach platt.«
»Ist gut.« Holland stand auf und erklärte, er sei jetzt bettreif.
Sie verabredeten sich für sieben Uhr zum Frühstück. Holland sagte, er wolle den Alarm auf seinem Handy entsprechend einstellen. Statt mit Holland zum Lift zu gehen, erklärte Thorne, er wolle noch auf ein Glas bleiben. »Damit ich besser einschlafe.«
»Nur zu«, meinte Holland, »dann schlafen Sie wie ein Bär.«
Thorne ahnte, was kam,
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