Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
Norden abzustimmen. Was an Spannung mitnichten der kleinen Wette gleichkam, die Thorne und Kitson auf dem Rückweg von Whetstone abgeschlossen hatten.
»Bis zum Abend, denke ich«, hatte Kitson gesagt.
»Nie und nimmer.«
»Ich sag’s dir, Collins ist der Typ, der sich nicht den Mund verbieten lässt.«
Gut möglich, dass Kitson recht hatte, aber Thorne ritt der Widerspruchsgeist. »Morgen«, sagte er. »Keinesfalls früher, wenn überhaupt.«
»Einen Zehner?«
Widerspruchsgeist - »Maulen« hatte sein Vater das genannt - war das eine, aber hier ging es um Kohle. Irgendwo hatte Thorne gelesen, dass der Kitzel beim Spielen weitaus mehr in der Angst davor lag zu verlieren, als in der Möglichkeit zu gewinnen. Und da er sich erst vor kurzem eine an Sucht grenzende Begeisterung für Online-Poker abgewöhnt hatte, war er bereits auf der Suche nach etwas,
was sein Herz schneller schlagen ließ. »Ich bin dabei«, sagte er.
Fünfzehn Minuten vor Büroschluss steckte Sam Karim den Kopf zur Tür herein. Brigstocke wolle ihn sprechen. Thornes Puls begann zu rasen, wenn auch aus den falschen Gründen. »Wie willst du das Geld ausgeben?«, fragte er.
»Ich spare auf ein Paar Schuhe«, antwortete Kitson. »Möchtest du verdoppeln oder aufgeben?«
»Worum geht’s?«
»Noch mal einen Zehner darauf, dass die Spurs morgen verlieren.«
Zu Hause gegen Aston Villa, da müsste mindestens ein Punkt drin sein. Andererseits ging es um die Spurs …
»Ich fürchte, da knickt gerade jemand ein«, sagte Kitson.
Karim stand noch immer in der Tür. »Der Chef hat gesagt: sofort.«
»Leckt mich doch, beide«, meinte Thorne.
»Ich finde, Sie sollten noch einmal mit diesem Hirndoktor sprechen«, sagte Brigstocke. Er lehnte mit verschränkten Armen an seinem Schreibtisch.
Thorne sagte nichts darauf. Normalerweise fuhr man am besten damit, einfach dazusitzen und es über sich ergehen zu lassen.
Brigstocke war nach der lautstarken Erläuterung - bei der er sein fünfzehnminütiges Telefonat mit Nina Collins wiedergab - zum Sarkasmus übergegangen. Bald käme die letzte Phase, die Thorne am wenigsten mochte: Wenn er leise wurde und traurig und enttäuscht klang, als habe ihn der Vorfall, dem er diesen Anschiss verdankte, tatsächlich verletzt. Thorne war klar, dass Brigstocke diese Nummer von wegen »Sie haben mich enttäuscht, Sie sind eine Schande
für die ganze Schule« Trevor Jesmond abgeschaut hatte, der sich für einen Meister darin hielt. Thorne hatte sie schon oft über sich ergehen lassen müssen und angemessen betroffen dreingeschaut, wenn das langsame Kopfschütteln und der traurige Welpenblick kamen, aber bei Jesmond hatte er es immer genossen, ganz nach dem Motto, dass er, wenn er den Superintendent aus der Fassung brachte, offensichtlich etwas richtig machte.
»Mitchell war in Panik«, sagte Brigstocke. »Laut ihrer Freundin macht sich die Ärmste in die Hose.«
»Das war der Plan.«
»Herr im Himmel, vielen Dank aber auch. Und ich hab schon gedacht, Sie hätten ihr die vertraulichen Fotos der Mordopfer gezeigt, weil Sie ein Idiot sind, der unbedingt wieder auf der Straße Dienst tun möchte.«
»Nicht von allen Opfern.«
»Wie bitte?«
»Es waren nicht die Fotos von allen Opfern. Nur von den Mackens.«
»Na, dann ist ja alles in Ordnung.«
Thorne konnte nicht anders, er musste grinsen. »Nur eine Auswahl.«
»Mein Gott, Tom …«
»Hat’s funktioniert?«
Brigstocke starrte ihn ein paar Sekunden lang an, als überlege er, eine weitere Brüllattacke hinzulegen, bevor er hinter seinen Schreibtisch ging und sich setzte. »Debbie Mitchell zieht zu Nina Collins«, sagte er. »Das ist nur ein paar Straßen weiter …«
»Das ist egal, Hauptsache, sie zieht woanders hin.«
»Sie möchte in der Nähe des Parks bleiben, sagt sie. Anscheinend ist der Junge dort am liebsten.«
»Das kann sie für die nächste Zeit vergessen.«
»Außerdem kennt er Nina, dadurch wird er nicht so herausgerissen. Das scheint ihm ja Schwierigkeiten zu bereiten, solche abrupten Veränderungen.«
Mit dieser Einschätzung liege er richtig, erklärte ihm Thorne. Er dachte an das Lächeln des Jungen, wie schnell es kam und wie überraschend, wenn man bedachte, dass abrupte Veränderungen lange zu seinem Leben gehört hatten. »Dann steht mir die Scheiße nicht bis zum Hals?«
Nun musste Brigstocke grinsen. »Keine Bange, wenn Collins oder Mitchell sich offiziell beschweren, lass ich Sie fallen wie eine heiße Kartoffel.«
»Sie sind
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