Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
sagte Thorne. »Eine Beschreibung.« Er sagte nicht, dass diese Beschreibung nicht unbedingt hieb- und stichfest war. »Wir tun alles in unseren Kräften Stehende, um diesen Hinweisen nachzugehen, und haben diese natürlich auch an DCI Spedding weitergeleitet.« Dieser hatte die ursprüngliche Ermittlung geleitet und freute sich, von Kitson zu hören. Nur zu gerne wolle er alles weitergeben, was helfe, den Mord an Chloe Sinclair von seiner Liste ungelöster Fälle zu streichen.
Alec Sinclair wandte sich an seine Frau. »Dave Spedding meldet sich immer wieder, oder?«
»Eine Karte an Weihnachten«, sagte Miriam. »Ein Anruf an Chloes Geburtstag, in der Art.«
»Ich meine, am Schluss standen wir uns richtig nah. Auf eine seltsame Weise stand ihm auch Chloe nah.«
»War auch für ihn schwer, denk ich«, sagte Miriam.
Thorne nickte. Sollte es auch sein, dachte er. Der Tag, an dem es nicht mehr schwer ist, ist der Tag, an dem man am besten aufhörte und sich ein nettes kleines Pub suchte, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
»Es klingt vielleicht dumm«, sagte Kitson, »aber gibt es irgendetwas, das Ihnen seit der ursprünglichen Ermittlung eingefallen ist? Etwas, das Sie damals vergessen haben?«
»Das hätten wir Dave Spedding gesagt«, meinte Miriam.
»Ich weiß, und wir möchten auch nicht wieder alles neu aufrühren.«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn wir einfach noch einmal alles durchgehen?«, fragte Thorne. Auf der Kommode an der Wand standen mehrere Fotos in Metallrahmen: die Sinclairs mit zwei kleinen Kindern am Strand, Chloe und ihr Bruder mit einem Affenbaby vor den Toren eines Safariparks, ein junger Mann stolz neben einem Auto - wahrscheinlich seinem ersten Wagen. Der Bruder, der seine Schwester verloren hatte, der Sohn, der nun ein Einzelkind war.
»Es war das Jahr zwischen Abitur und Studium«, sagte Alec. »Sie wollte Geld für die Uni verdienen. Eine Weile half sie in meinem Büro aus, aber sie langweilte sich zu Tode, also suchte sie sich einen Job in einem Pub. Dort lernte sie diesen Tony kennen.«
»Hat sie Ihnen viel über ihn erzählt?«, fragte Kitson.
Miriam schüttelte den Kopf. »Sie erzählte uns, er sei ein paar Jahre älter. Ich glaube, sie merkte, dass uns das nicht wirklich recht war.«
»Wenn wir das vielleicht etwas … lockerer gesehen hätten oder, ich weiß nicht. Vielleicht wäre es dann nicht so gekommen.« Alec starrte ins Leere. »Ich wollte einfach nicht, dass sie sich bindet, egal an wen, bevor ein Universitätsabschluss oder etwas in der Richtung absehbar war. Dann fing sie an, davon zu reden, dass sie das mit der Uni bleiben lassen und sich lieber mit Tony die Welt ansehen oder mit ihm zusammenziehen wolle.«
»Es gab oft Streit«, fügte Miriam hinzu.
Thorne meinte, das sei verständlich, er verstehe, dass sie sich vor allem um ihre Tochter sorgten. »Aber Sie lernten ihn nie kennen?«
Es war ein warmer Vormittag, doch Miriam trug eine Strickjacke. Sie schüttelte den Kopf. »In der Hinsicht wurde sie ganz verschlossen. Sagte uns, das sei ihre Sache, das gehe uns nichts an, das alles.« Sie lächelte traurig, ihre Unterlippe zitterte leicht. »Mir war klar, dass wir Gefahr liefen, sie zu verlieren. Also bat ich sie, ihn mitzubringen.«
»Sie erklärte uns, dafür sei es zu spät«, fuhr Alec fort. »Tony wisse, wie wir die Sache sehen, und sie wolle ihm die Eltern-Nummer ersparen.«
»Im Nachhinein betrachtet ist es albern, es waren nur ein paar Monate, aber sie war absolut verrückt nach ihm«, sagte Miriam. »Eines Tages erzählte sie uns, wo sie überall mit ihm hinfahren wolle, und dann sahen wir sie tagelang nicht mehr.«
»Können Sie uns sagen …«, fragte Thorne.
Alec räusperte sich, aber dann sprach seine Frau. »Sie übernachtete immer öfter bei ihm.«
»Und wo war das?«, fragte Kitson.
»In Hanwell, denke ich. Zumindest hat sie Hanwell öfter erwähnt. Und wenn ich mich recht erinnere, brauchte sie einen Fahrausweis für Zone vier. Aber die Adresse erfuhren
wir nie. Sonst hätten wir sie der Polizei gegeben.« Sie zupfte einen Faden von der Sofalehne. »Als sie daher an dem bewussten Donnerstagabend nicht nach Hause kam, dachten wir … Sie wissen schon.«
»Am Samstagmorgen begannen wir uns Sorgen zu machen«, sagte Alec. »Ich meine, sicher, es gab Streit, aber nach ein, zwei Tagen rief sie immer an. Sie wusste, wir machen uns Sorgen.«
Miriam zog an dem losen Faden, bis er riss, dann legte sie ihn in ihre Hand und schloss die
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